Von Zweibeinern und Vierbeinern
fuhr ich immer um das Haus herum auf den Hof und hielt den Wagen so an, daß die Scheinwerfer auf den Stall gerichtet waren.
Wenn ich die Tür öffnete, sah ich, wie Amber mich erwartete, die Vorderpfoten auf der halbhohen Holzwand, die langen gelben Ohren im Licht der Scheinwerfer schimmernd. Freudig begrüßte sie mich. Ich sehe sie noch vor mir. Ihr fröhliches Temperament änderte sich nicht, und ihr das Stroh aufwirbelnder Schwanz stand nie still, auch nicht, wenn ich ihr all die unangenehmen Dinge antun mußte – wenn ich die zarte Haut mit der Flüssigkeit einrieb, ihr eine Spritze mit Staphylokokken-Toxoid gab, neue Hautproben abschabte, um den Fortschritt der Behandlung zu prüfen.
Als die Tage und Wochen vergingen und ich keine Besserung feststellen konnte, verzweifelte ich schier. Ich machte ihr Schwefelbäder und Bäder aus Derriswurzel und probierte alle Arzneien, die auf dem Markt waren, aus, obwohl ich mit all dem in der Vergangenheit keine Erfolge gehabt hatte. Jede schwer heilbare Tierkrankheit ruft Massen von Quacksalber-Kuren hervor, und ich verlor bald die Übersicht über die Zahl der Shampoos und Wässerchen, mit denen ich das junge Tier wusch, immer in der Hoffnung, daß vielleicht doch – trotz meiner Zweifel – eine magische Kraft in ihnen steckte.
Die nächtlichen Sitzungen im Licht der Scheinwerfer wurden ein Teil meines Lebens, und ich glaube, ich hätte endlos so weitergemacht, wäre es mir nicht an einem dunklen Abend, als der Regen auf das Pflaster des Hofes schlug, so vorgekommen, als sähe ich die junge Hündin zum erstenmal.
Die Räude hatte sich über den ganzen Körper ausgebreitet, nur an manchen Stellen waren noch Haarbüschel oder kleine Flecken Fell zu sehen. Die langen Ohren schimmerten nicht mehr golden. Sie waren fast kahl, wie auch das Gesicht und der ganze Kopf. Die Haut war überall geschwollen und verschrumpelt und hatte eine bläuliche Tönung angenommen. Und wenn ich sie an einer Stelle drückte, suppten Eiter und Serum heraus.
Ich wußte nicht mehr weiter. Ich setzte mich ins Stroh, während Amber um mich herumsprang, mich leckte und mit dem Schwanz wedelte. Trotz ihres schrecklichen Zustands war sie unverändert.
Aber so konnte es nicht weitergehen. Ich wußte, daß sie und ich jetzt am Ende des Weges angelangt waren. Während ich grübelte, streichelte ich ihr den Kopf und sah, daß die fröhlichen Augen in dem entstellten Gesicht mich mitleidig ansahen. Mein Elend hatte verschiedene Gründe: erstens hatte ich sie zu liebgewonnen, zweitens hatte ich versagt, und drittens hatte sie niemanden außer Schwester Rose und mir. Und dann war da noch etwas – was sollte ich, nach all meinem aufmunternden Gerede, der guten Krankenschwester sagen?
Erst am nächsten Mittag fand ich den Mut, sie anzurufen. In dem Bemühen, es möglichst sachlich zu machen, sprach ich, glaube ich, fast schroff.
»Schwester Rose«, sagte ich, »ich fürchte, mit Amber ist es vorbei. Ich habe alles versucht, aber es geht ihr immer schlechter. Ich denke, es wäre das gnädigste, sie einzuschläfern.«
Man hörte ihrer Stimme den Schock an. »Aber... ich finde das so schrecklich – nur wegen einer Hautkrankheit.«
»Ich weiß, so denkt jeder. Aber es ist eine fürchterliche Krankheit. In ihrer schlimmsten Form kann sie das Leben eines Tieres zerstören. Amber muß sich schon sehr elend fühlen, und bald wird sie Schmerzen haben. Wir können ihr das nicht mehr zumuten.«
»Oh... ich vertraue natürlich Ihrem Urteil, Mr. Herriot. Ich weiß, daß Sie nichts tun würden, was nicht nötig wäre.« Es folgte eine lange Pause, und ich wußte, daß sie versuchte, ihre Stimme wieder in ihre Gewalt zu bekommen. Dann sprach sie ruhig weiter. »Ich möchte gern zu Ihnen kommen und Amber sehen, sobald ich vom Krankenhaus wegkomme.«
»Bitte, Schwester«, sagte ich leise, »ich möchte lieber, daß Sie es nicht tun.«
Wieder eine Pause. Dann: »Gut, Mr. Herriot. Ich überlasse alles Ihnen.«
Danach mußte ich einen dringenden Besuch machen, und den ganzen Nachmittag über hatte ich ständig zu tun. Aber die ganze Zeit über dachte ich an das, was ich später noch zu tun hatte.
Es war wie immer stockdunkel, als ich auf den Hof fuhr und die Stalltüren öffnete.
Und es war wie all die anderen Male: Amber stand im Licht der Scheinwerfer. Die Pfoten auf der Holzwand, mit dem Schwanz wedelnd, so daß ihr ganzer Körper hin und her schwang, begrüßte sie mich freudig hechelnd.
Ich schob das
Weitere Kostenlose Bücher