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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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wütenden Blizzards. Dabei herrschte weiter strenger Frost und verwandelte die Landstraßen in glatte Bahnen festgefahrenen Schnees, über die wir mit zwanzig bis fünfundzwanzig Stundenkilometer fuhren.
    Der lange Garten hinter Skeldale House war unter einem weißen Laken verschwunden. Nur dicht an der Mauer entlang verlief ein tiefer Kanal, durch den ich mich jeden Tag zu meinem Wagen hinten auf dem Hof kämpfte.
    Im Hof mußte täglich Schnee geschippt werden, und das Öffnen der großen Doppeltür, die auf den Hof führte, war eine knochenbrechende Arbeit. Eines Tages waren die Türen so verkeilt in den hohen Schneebergen, daß sie sich nicht mehr rührten und mir nichts anderes übrig blieb, als sie für den Rest des Winters offenstehen zu lassen.
    Um unsere Besuche zu machen, mußten wir oft zu Fuß gehen, denn viele der Pfade, die zu den Höfen führten, waren zugeschneit. Weiter oben in den Bergen gab es Höfe, die wir überhaupt nicht erreichen konnten, was sehr bitter war, denn zweifellos mußten viele Tiere wegen des Mangels an ärztlicher Hilfe sterben. Es war etwa Mitte März – Hubschrauber warfen über den abgeschnittenen Dörfern und Gehöften Nahrungsmittel ab – als Bert Kealey mich anrief.
    Er lebte im Hochmoor, wo sogar im Sommer ein rauhes Klima herrschte, und gehörte zu den Bauern, die wir nicht erreichen konnten. Ich war überrascht, seine Stimme zu hören.
    »Ich hatte geglaubt, die Telefonleitungen wären unterbrochen, Bert«, sagte ich.
    »Nein, sie haben es überstanden – Gott weiß wie.« Die Stimme des jungen Bauern klang fröhlich wie immer. Er betrieb eine kleine Viehzucht auf der Hochebene und war einer von den vielen, die dem kargen Boden ihr täglich Brot abrangen.
    »Aber ich bin in Schwierigkeiten«, fuhr er fort. »Polly hat gerade geferkelt, und sie hat nicht einen Tropfen Milch.«
    »Oh, das ist aber schlimm«, sagte ich. Polly war das einzige Schwein auf Kealeys Hof.
    »Ja, sie ist ein armes Schwein. Und es ist schon schlimm genug, den Wurf zu verlieren – zwölf schmatzende kleine Ferkel. Aber am meisten Sorgen macht mir Tess.«
    »Ja... ja...« Ich hatte auch sofort an Tess gedacht. Sie war Berts achtjährige Tochter und liebte kleine Schweine. Sie hatte ihren Vater überredet, ihr zum Geburtstag eine trächtige Sau zu schenken, damit sie einen Wurf Ferkel ganz für sich allein hätte. Ich erinnerte mich noch an ihr Entzücken, als sie mir ihr Geburtstagsgeschenk zeigte – wenige Tage, nachdem es angekommen war.
    »Das ist Polly«, sagte sie und deutete auf die Sau in der Box, die mit der Schnauze im Stroh herumwühlte. »Sie gehört mir. Mein Daddy hat sie mir geschenkt.«
    Ich beugte mich über die Box. »Ja, ich weiß. Da hast du aber wirklich Glück gehabt. Sie sieht gut aus, deine Polly.«
    »Ja, das finde ich auch.« Die Augen des kleinen Mädchens strahlten vor Freude. »Ich füttere sie jeden Tag, und ich darf sie auch streicheln. Sie ist nett.«
    »Bestimmt ist sie das. Sie sieht hübsch aus.«
    »Ja, und weißt du was?« Tess’ Gesicht wurde ernst, und ihre Stimme nahm einen verschwörerischen Ton an. »Sie kriegt im März Babies.«
    »Na, so was!« sagte ich. »Wirklich? Dann hast du ja eine Menge kleiner rosa Ferkel, um die du dich kümmern kannst.« Ich hielt meine Hände etwa zwanzig Zentimeter voneinander entfernt. »So klein ungefähr.«
    Sie war so aufgeregt bei dem Gedanken, daß sie nicht sprechen konnte. Sie lachte nur glücklich, hielt sich an der Wand der Box fest und sprang auf und ab.
    All das kam mir wieder ins Gedächtnis, während ich Bert Kealeys Stimme am Telefon lauschte.
    »Halten Sie es für möglich, daß Polly eine Brustentzündung hat, Bert? Ist das Gesäuge rot und geschwollen? Frißt sie nicht?«
    »Nein, nichts davon. Sie frißt wie ein Scheunendrescher, und das Gesäuge ist kein bißchen entzündet.«
    »Dann ist es ein klarer Fall von Agalaktie. Sie braucht ein bißchen Pituitrin. Aber wie, zum Teufel, verpassen wir ihr das? Ihre Gegend ist seit Wochen abgeschnitten.«
    Gewöhnlich kann man einem Bauern in Yorkshire kaum klarmachen, daß sein Hof wegen des Wetters unerreichbar ist, aber in diesem Falle waren die Umstände so außergewöhnlich, daß Bert zustimmen mußte.
    »Ich weiß«, sagte er. »Ich habe schon versucht, mir einen Weg zur Straße freizugraben, aber er schneit so schnell wieder zu, wie ich grabe. Und die Straße hier oben ist sowieso kilometerweit blockiert, ich verschwende also nur meine Zeit.«
    Ich dachte

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