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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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einen Augenblick nach. »Haben Sie schon versucht, den Ferkeln ein bißchen Kuhmilch zu geben? Wenn Sie einen Liter Milch mit einem Ei und einem Teelöffel Glukose mischen, müßte das ein ganz guter Muttermilchersatz sein. Meines Wissens müßten Sie noch Glukose dahaben – von den Kälbern, die Durchfall hatten.«
    »Damit habe ich es schon probiert«, erwiderte Bert. »Ich habe es in eine Yorkshire-Puddingdose geschüttet und sie mit der Nase reingestupst, aber sie haben nicht mal einen Blick darauf geworfen. Wenn sie wenigstens einmal einen Schluck bei ihrer Mutter trinken könnten und etwas in den Magen bekämen, dann könnte man sie vielleicht mit Ersatzmilch ernähren.«
    Er hatte recht. Nichts war mit dem ersten Schluck Muttermilch zu vergleichen. Und wenn sie den nicht bekamen, konnten diese winzigen Geschöpfe mit ihren leeren Mägen sterben wie die Fliegen.
    »Es sieht ganz so aus, als ob sie alle eingehen würden«, sagte Bert. »Ich weiß nicht, was meine kleine Tochter dazu sagen wird. Es wird ihr das Herz brechen.«
    Ich klopfte mit dem Finger gegen den Hörer. In meinem Kopf nahm eine Idee Gestalt an. »Es gibt vielleicht eine Möglichkeit«, sagte ich. »Ich weiß, daß ich bis oberhalb von Dennor Bank kommen kann, denn bis dahin ist die Straße offen. Und von da bis zu Ihnen ist das Gelände eben. Vielleicht könnte ich auf Skiern zu Ihnen durchkommen.«
    »Auf Skiern?«
    »Ja. Ich bin in der letzten Zeit ein bißchen gelaufen. Allerdings noch niemals so weit, wie es von da oben bis zu Ihrem Hof ist. Ich kann nicht versprechen, ob ich es schaffe, aber ich werde es versuchen.«
    »Da wäre ich aber verdammt froh, Mr. Herriot. Vor allem, wenn ich an mein kleines Mädchen denke.«
    »Das geht mir genauso, Bert. Ich werde es versuchen. Ich fahre gleich los.«
    Auf der Höhe von Dennor Bank stellte ich den Wagen so dicht wie möglich an den hohen weißen Schneewällen ab, die der Schneepflug aufgeworfen hatte, stieg aus und stellte mich auf meine Skier. Ich muß zugeben, daß ich mir als Tierdoktor auf Skiern sehr wichtig vorkam. Einer der Vorteile der langen Schnee- und Frostperiode war, daß sie uns auf den Hügeln ein paar hübsche kleine Pisten beschert hatte. Zusammen mit ein paar anderen Amateuren nahm ich jede Gelegenheit wahr, zu den Hügeln zu eilen, und ich hatte festgestellt, daß es eine der aufregendsten Sachen war, die ich kannte, wieder und wieder in der frostigen Luft den Hügel hinabzugleiten. Ich hatte mir ein Buch über das Skifahren gekauft und glaubte, schon einigermaßen geschickt darin zu sein.
    Ich brauchte nur eine Flasche Pituitrin und eine Spritze und steckte beides in meine Tasche.
    Wenn man normalerweise zu Kealeys Hof wollte, fuhr man zwei, drei Meilen eine sehr gerade Straße entlang und bog dann nach rechts ab, zu dem hochgelegenen Dorf Branderley. Berts Hof lag ziemlich abgeschieden etwa auf halbem Wege dieser Straße.
    Doch heute war mir, obwohl ich Hunderte von Malen durch diese Gegend gefahren war, als ob ich mich in einem fremden Land befände, als ob ich dies alles nie gesehen hätte. Die Steinmauern waren tief unter dem Schnee begraben, so daß man weder Felder noch Straßen sehen konnte, nur eine ausgedehnte weiße Fläche, aus der hier und da die Spitzen von Telegrafenmasten herausragten. Es war fast unheimlich.
    Ich weiß nicht, wie tief ich ohne Skier in die welligen Schneeverwehungen eingesunken wäre. Ich hatte so meine bösen Vorahnungen, aber ich hatte versprochen, es zu versuchen. Ich würde einfach den Weg abschneiden – nicht erst geradeaus und dann rechts, sondern die dritte Seite des Dreiecks entlang. Ich war überzeugt, daß der Hof in einer der Senken lag, die ich unter dem dunklen Himmel erkennen konnte.
    Ich fürchte, es ist nicht gerade eine der ruhmreichsten Episoden in meinem Leben. Ich war unbeholfen etwa eine halbe Meile durch den Schnee geglitten, als es wieder anfing zu schneien. Der Schnee schien von nirgendwoher zu kommen, und es war auch keineswegs ein Schneesturm, sondern nur ein weißer Schleier, der mich vollkommen von meiner Umgebung abschnitt. Ich konnte nicht weitergehen – ich hatte jeden Richtungssinn verloren. Der wirbelnde Flockenvorhang war undurchdringlich. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, daß ich Angst hatte. Während ich mit halbgeschlossenen Augen wie angewurzelt in der Kälte stand, fragte ich mich, was wohl geschehen würde, wenn es nicht aufhörte zu schneien. Tatsächlich frage ich mich heute noch, was dann

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