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Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Titel: Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Rieger
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es sich dabei genau handelt. Es war das Lächeln der Frau ohne Beine. Sie kennen vielleicht die germanische Mythologie, Watson.“
    „ Nein, worauf beziehen Sie sich?“
    „ Es gibt in den Tempeln Abbildungen einer Göttin, die ohne Beine schwebt. Es ist Freya, die Göttinnenmutter. Auch ihr griechisches Vorbild hat oft keine Arme oder Beine. Eine Frau ohne Beine, das ist die Schlange, und ein älteres Tier als dieses gibt es nicht, und auch kein Klügeres. Auch Drachen haben nicht immer Beine, Watson, und auch sie sind Symbole der urwüchsigen weiblichen Kraft.“
    „ Was wäre dann die Bedeutung dieser Verbindung?“ fragte Dr. Watson etwas ratlos.
„Es geht letztendlich um die Frage, wer die betreffenden Personen sind. Es könnten Menschen sein, die mit der Gräfin in ihrem Leben konkret zu tun hatten. Oder es sind Menschen, die in ihrem familiären Umkreis, vielleicht im Laufe einiger Generationen, einen gewissen Einfluss gehabt und das Gehirn der Gräfin und ihre emotionale Welt geprägt haben. Oder es sind uralte, sagen wir ruhig autochthone Gestalten, symbolhafte Figuren, eben Götter, die nicht nur die Gräfin sondern ihr Volk über Jahrtausende formten und die ständig abrufbar sind.“
    „ Sie glauben also, dass die Phantome, die wir erlebten, deutsche Phänomene darstellen. Hirngespinste der Gräfin.“
    „ Ich gehe davon aus.“
    „ Bleibt die Frage, was ihr Auftreten hier in London bedeutet.“
    „ Richtig.“
„Und Ihre Antwort, Holmes?“
    „ Sie hatten eine Mission. Ob diese Mission sich schon erfüllt hat, weiß ich nicht.“
    ¥
    In dieser Nacht - Holmes hatte etwas zu viel Bier getrunken und war in einen traumlosen Schlaf versunken - erwachte er in seinem Heim in der Baker Street und sah die Frau ohne Beinen vor seinem Bett schweben. Die Lichtverhältnisse waren recht günstig. Durch die Fensterscheiben drang das Licht der Gaslaternen, die im Kernbezirk von London flächendeckend Verwendung fanden, und dieses Licht fiel auf das Gesicht der Frau. Holmes sah, dass sie lächelte. Er war im Bett liegen geblieben, obwohl er erschrocken war und sein Herz rascher klopfte.
„Sie sind es also“, meinte er dann auf Deutsch, und räusperte sich. Die Erscheinung schaute ihn an. Sie lächelte und schloss dabei die Augen.
    „ Sie verstehen mich?“
    Die Figur rührte sich nicht.
    „ Warum sind Sie gekommen?“ fragte er weiter. Ihre Augen wanderten zur Seite, blickten auf das Fenster hin. In diesem Augenblick hörte Holmes draußen ein Fuhrwerk um die Ecke biegen. Er konnte es sich nicht genau erklären, warum, doch er sprang aus dem Bett und dabei durch die Erscheinung durch, was einen kühlen Lufthauch verursachte, und stürzte in seine Stiefel und seinen Mantel und lief hinab auf das Pflaster, um das Fuhrwerk zu verfolgen. Es war eine kleinere geschlossene Kutsche, schwarz und schmucklos, ein Einspänner, gezogen von einem altersschwachen Pferd, mit einer kleinen Ladefläche hinten drauf, die von einer Plane verdeckt war. Holmes hatte keine Mühe, dem wie im Traum dahin trottenden Tier und seiner Ladung zu folgen, das langsam seinen Weg zur Oxford Street nahm, um dort Richtung Hyde Park einzubiegen. Als es sich dort die Park Lane hinunter bewegte, eilte Holmes im Park im Schutz der Bäume nach vor, überholte es, wechselte auf die andere Seite der Park Lane und ging zurück in der Absicht, dem Fahrzeug zu begegnen. Er traute seinen Augen nicht, als er auf dem Kutschbock die Gräfin sitzen sah. Zuerst hielt er sie für einen hageren Mann, dann für eine Erscheinung, aber die Haltung der alten Dame war unmissverständlich, und auch das Gesicht so charakteristisch, dass eine Täuschung nicht möglich schien. Kurz fiel der Blick der Wagenlenkerin auf den Spaziergänger, dem sie hier zu später Nachtstunde begegnete, glitt jedoch über ihn hinweg und dann war das Pferd schon weiter in eine Richtung gestapft, die direkt zum Buckingham Palace führte. Holmes lief der Kutsche nach, holte sie ein, starrte durch das Glas des Fensters in das Dunkel. Es war schwierig zu sagen, ob sich im Inneren jemand befand. Holmes glaubte eine Gestalt zu sehen, aber es konnte auch ein leerer Mantel sein, der in einer Ecke aufleuchtete, denn man sah keinen Kopf, wohl aber, wie man meinen sollte, Handschuhe, die aus den Ärmeln des Mantels ragten. Holmes beschleunigte seinen Schritt weiter, kam gleichauf mit der Gräfin, die gerade auf dem Kutschbock saß, die Zügel in Händen, und nach vorne blickte.
    „ Agnes“, sagte

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