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Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht

Titel: Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Rieger
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Und Sie meinen, dass es der Kopflose gewesen sein könnte, den sie durch die Gegend kutschierte?“
    „ Ich kann mich für keine Spekulationen her geben. Aber es war etwas in der Kutsche, daran besteht kein Zweifel. Es könnten Kleider gewesen sein, die man dort aufbewahrte. Es war etwas Schwereloses an der Bewegung der Kutsche, weshalb man sich schwer vorstellen kann, dass dort drinnen Leute aus Fleisch und Blut saßen. Als das Pferd scheute und die Kutsche mit sich riss, folgte sie dem Pferd, als hätte sie keine Ladung.“
    „ Als aber die Gräfin den Wagen lenkte, ging er zwar langsam, aber Sie sagten, dass sie die Augen offen hatte.“
    „ Ja, und sie zeigte auch ihre übliche Haltung. Eine alte Dame wird auf einem Kutschbock vielleicht nicht immer eine eindrucksvolle Figur abgeben, aber die Gräfin tat es. Es war, als hätte sie einen Eisenstock verschluckt, so aufrecht und präsent wirkte sie.“
    „ Dann aber, als Sie neben ihr Platz nahmen, war sie zu einer leblosen Hülle geworden.“
    „ Ja, beinahe. Es war nur mehr ein Funken von Leben in ihr und sie halluzinierte. Sie sprach verwirrt und sie hüstelte wie jemand, der krank ist. Und sie schien mich nicht zu erkennen.“
    „ Aber auch im Buckingham Palace schien Sie keiner wahrzunehmen, Holmes.“
    „ Nun gut, man muss die späte Nachtstunde berücksichtigen. Sie wissen vielleicht selbst, wie man um vier Uhr morgens reagiert, wenn man Dienst hat. Die Krankenschwester war sichtlich wütend darüber, zu dieser Stunde geweckt zu werden und beschränkte sich auf ihre Aufgaben. Und die Wachen sind grimmige Gestalten, die das Schweigen gewohnt sind. Aber ich stimme Ihnen trotzdem zu, wenn Sie sagen, dass es merkwürdig ist, wie sie mich aufnahmen. Es kam mir, als ich die Angelegenheit bei mir betrachtete, fast so vor, als hätte man die alte Dame direkt aus dem Buckingham Palace mit einer Kutsche losgeschickt in der Hoffnung, dass sie irgendeinen Auftrag in der Stadt erfüllt, und sie hat nichts Besseres vor, als bei uns in der Baker Street vorbeizuschauen und mich auf der Straße aufzulesen, wodurch die ganze Mission gescheitert ist, die wohl ganz anders beschaffen war. So ist mein Eindruck. Wie sonst wäre sie überhaupt in den Besitz einer Kutsche gekommen? Und dafür würde ja auch sprechen, dass das Pferd, als es scheute, direkt zum Buckingham Palace zurück lief, wie in die heimischen Ställe. Verstehen Sie?“
    Dr. Watson blickte bedenklich, nahm dann einen letzten Schluck Tee und meinte, während er sich erhob: „Es ist ein merkwürdiges Erlebnis, wie immer man es nimmt, Holmes. Leider ruft mich jetzt die Pflicht, aber ich hoffe, heute Abend von Ihnen schon Näheres zu erfahren.“
     
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    Am Vormittag marschierte Holmes in die Bibliothek, um sich dort den deutschen Adelskalender anzusehen und die Verwandschaftsbeziehungen zu überprüfen, die die Familie Hohenfels-Schlüchtern mit dem englischen Königshaus unterhielt, das ja aus dem Haus Sachsen-Coburg-Saalfeld stammte. Diese Familienbande bestanden dann überraschenderweise überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Die Familien schienen seit Jahrhunderten eine Feindschaft miteinander gepflegt zu haben, denn es gab nicht eine einzige Heirat zwischen den weitverzweigten Teilen der einzelnen Familien, die gleichwohl ihre Besitzungen eng an eng im Bereich dieser Herzogtümer hatten und über viele Generationen Nachbarn gewesen waren. Nachbarn, aber eben keine Freunde. Holmes setzte seine Recherche fort, indem er ein Buch suchte, das über die Familie Hohenfels-Schlüchtern verfasst worden war, und wurde nicht fündig. Ähnlich verhielt es sich mit Hinweisen auf diese Familie in den zahlreichen Schriften und Bänden zum deutschen Familienzweig der Sachsen-Coburg-Saalfeld.
     
    Nachdem er im Bereich Adelskalender und Biographien vergeblich gestöbert hatte, begann Voodoo suchend in benachbarten Regalen auf und ab zu gehen. Dabei fiel ihm ein Band alter deutscher Märchen in die Hände. Es war ein großes, dickes Buch von mehr als 1000 eng beschriebenen Seiten, wobei ein Märchen selten mehr als eine der Seiten einnahm. Der Band wies ein detailliertes Register auf mit Stichworten. Die Namen Schlüchtern oder Sachsen oder Hohenfels oder Agnes oder Victoria suchte man in ihm vergebens, doch der Begriff „Wolf“ wurde immerhin 321 mal aufgeführt. Offensichtlich gab es jede Menge deutscher Märchen, in denen dieses Tier auftrat. Das war nicht weiter verwunderlich, schließlich hatten die Menschen dort

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