Voodoo Holmes: Botschafter der Nacht
auf den Boden. Holmes nahm außerhalb der Pforte auf dem Steinsims Platz und Mrs. Jones innen. Sie lehnten beide gegen den steinernen Pfeiler der Pforte, und es war nicht ungemütlich, schon weil Mrs. Jones spontan eine Hand durch das Gitter steckte und ihn, als er sie ergriff, dabei erwartungsvoll an sah. „Sie müssen wissen“, sagte sie, „Traum und Wirklichkeit hängen immer zusammen. Ich wusste, dass Sie heute Nacht kommen würden.“
„ Woher wissen Sie das?“
„ Ich habe es einfach erfahren, als ich heute Morgen hier vorbeikam. Ich spürte etwas und legte mich auf das Gras und wusste sofort, dass Sie hier gewesen waren und für mich eine Botschaft hinterlassen hatten. Und dann lag ich mit geschlossenen Augen auf dem Rasen und wäre beinahe eingeschlafen und dann hörte ich eine Stimme, die sagte ganz klar: Heute Nacht gegen zwei Uhr, und es war Ihre Stimme.“
„ Ich kann nicht sagen, warum ich dieses Rendezvous eingehalten habe, aber es ist gut so“, sagte Holmes. „Aber Sie sollten ruhig erfahren, worum es geht. Sie haben mich gestern Nacht tatsächlich geweckt und mich auf die Kutsche aufmerksam gemacht. Diese wurde von der Gräfin von Hohenfels-Schlüchtern gelenkt. Die Dame ist Ihnen bekannt?“
Mrs. Jones bekreuzigte sich stumm.
„ Wie gut kannten Sie sie?“
„ Nicht besonders gut“, sagte sie. „Ich hatte mit ihr eigentlich nichts zu tun, aber ich habe sie natürlich gesehen.“
„ Was wissen Sie über ihren Tod?“
„ Ein Brandunfall“, sagte Mrs. Jones.
„ Wie haben Sie davon erfahren?“
„ Es war heute das Tagesgespräch unter den Dienstboten, das können Sie sich denken. Egon war dafür verantwortlich. Er hat eine Kerze umgestoßen oder ein Bettlaken kam in die Nähe des Ofens, jedenfalls ist ein Brand entstanden und die Gräfin, Sie haben es sicher gehört, war sehr alt und hilflos und konnte sich nicht retten.“
„ War denn der Ofen angeschürt?“
„ Das kann ich nicht sagen. Alte Menschen brauchen oft die Wärme.“
„ Aber doch nicht im Sommer“, meinte Holmes. Dann: „Die Kutsche Ihres Mannes landete im Hyde Park und brannte völlig aus.“
„ Ich habe es schon vermutet, aber gehofft“, sagte sie. „Es ist schrecklich für Arthur. Er hat das Pferd über alles geliebt. Es war eine edle Rasse und er war sehr stolz darauf. Wobei man sagen muss, dass Dieter längst altersschwach war und eigentlich zum Abdecker gemusst hätte. Aber er brachte es nicht übers Herz.“
„ Das Pferd hieß Dieter?“
„ Ja.“
„ Was wird Ihr Mann jetzt unternehmen?“
„ Ich glaube nicht, dass er noch einmal ein eigenes Fahrzeug kaufen wird. Er wird wohl noch ein paar Jahre Droschke für Spencer & Company fahren und sich dann auf sein Altenteil zurückziehen.“
„ Was glauben Sie, wie ist es der Gräfin gelungen, der Kutsche habhaftig zu werden?“
Mrs. Jones rollte mit den Augen. „Das war nicht schwer. Arthur hat seine Kutsche immer am Platz vor dem Palast abgestellt. Die Gräfin war eine seiner treuesten Kundinnen. Jede Bewohnerin von Buckingham Palace, die über keine eigene Kutsche verfügte, hat ihn angeheuert, und er hatte einige Damen von früher, die meinen Mann anheuerten, um Beschäftigungen zu erledigen.“
„ Und war das gestern auch der Fall?“
„ Ja. Die Gräfin kam am späten Vormittag über den Platz und setzte sich in die Kutsche. Sie sagte, sie wolle ein bisschen herumfahren. Mein Mann kannte das schon. Es gab Tage, da fuhr die Gräfin aufs Land. Sie liebte die Schafweiden um Bloomsbury Point besonders. Dort musste mein Mann sie absetzen und sie ging dann spazieren, und er ruhte sich im Schatten eines Baumes aus, bis sie zurück kam. Diesmal war er eingeschlafen, und als er erwachte, war die Kutsche weg. Erst dachte er, die Zügel hätten sich gelöst und suchte sie überall. Doch es war nicht die Art von Dieter, sich zu weitem von seinem Herrn zu entfernen. Also kam er zu der Auffassung, dass sie gestohlen worden war.“
„ Zu welchem Zeitpunkt erwachte Ihr Mann?“
„ Es war abends. Die Sonne war schon untergegangen. Das war ungewöhnlich, weshalb mein Mann der Meinung war, dass ihm die Gräfin etwas in seine Trinkflasche gegeben hatte. Der Gerstensaft, den ich ihm am Morgen immer abfülle, schmeckte besonders bitter.“
„ Und er verdächtigte die Gräfin?“
„ Letztendlich ja. Und das Merkwürdige daran: Er sagte mir mehrmals, dass er der Meinung gewesen war, es sei gar nicht die Gräfin gewesen, die er an diesem Morgen
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