Voodoo Holmes Romane (German Edition)
gereist, und hat jedes Land der Erde abgegrast, um es wieder zu finden. Und als großartiger Einstieg in unsere künftige Zusammenarbeit hat er es vor einigen Wochen tatsächlich aufgespürt und nach Hause gebracht. Nun ist es an mir, mich mit den großen Geistern, die vor der Handschrift versagten, zu messen.“ Ein innerliches Strahlen verschönte das Antlitz meines Freundes. Draußen wurde geklingelt, und ich hörte, daß ein Gast in den Salon geführt wurde.
„ Das wird Maddox sein. Also rasch: Sie können sich vorstellen, lieber Watson, daß ich in dieser Situation das Angebot meines Bruders, mir in den täglichen Dingen des Lebens behilflich zu sein, nicht ausschlagen konnte, vor allem, weil ich selbst erkenne, daß die Detektei für mich unübersichtlich wird, und ich mir einen Compagnon nehmen muß. Die Sache soll doch in der Familie bleiben, deshalb bin ich der Meinung, ein Praktikum.“
Ein Praktikum als Meisterdetektiv? Ich war von der Anmutung so überrollt, daß ich meinen Freund nur fassungslos anstarrte.
„ Er hat alle guten Eigenschaften“, fuhr Holmes fort. „Er hat den anderen Blick. Stellen Sie sich vor, mein Bruder ist in Wien geboren, doch eigentlich kann man ihn einen Touristen nennen, wie man neuerdings sagt, er war in den letzten Jahren ein Weltreisender, er kennt alle Regionen. Das wichtigste aber: Er hat abgesehen davon, dass er diese Handschrift aufspürte, von nichts eine Ahnung. Er hat nichts anderes gelernt, als in primitiven Ländern zu reisen in einer Phase, in der ein Mensch geprägt wird. Die britische Lebensart, den letzten Schliff, den er zum Meisterdetektiv braucht, den kann ihm keiner besser beibringen als Sie. Ich kenne keinen anderen, der die steife Oberlippe, die Engstirnigkeit der Oberklasse und den imperialen Größenwahn unseres Landes so perfekt verkörpert wie Sie, Watson. Bitte bringen Sie ihm das alles bei, ich flehe Sie an, der Junge braucht das, wenn er hier in London bestehen will.“ Mit diesen Worten hatte sich Holmes erhoben, öffnete die Tür in den Salon mit Schwung und damit war unsere Unterredung beendet. Ich starrte auf den jüngeren Holmes. Die Familienähnlichkeit war unübersehbar, allerdings schien Voodoo Holmes die südländische Version seines berühmten Bruders zu sein. Ich merkte zu meinem Erstaunen, daß er Sherlocks Kleidung trug. Bei Kindern ist das manchmal so, wenn ihre älteren Geschwister aus ihrem Rock herausgewachsen sind, daß die jüngeren sie auftragen. Bei Voodoo wirkte das Ganze wie eine Kostümierung.
Wir folgten meinem Freund hinaus in den Salon und ich schüttelte Inspektor Maddox die Hand. Sein gerötetes Gesicht und sein bärbeißiges Lächeln verhieß nichts Gutes. Sherlock hatte ihn offenbar schon in die Sachlage eingeweiht, denn der gute Inspektor betrachtete den jungen Voodoo Holmes ebenso skeptisch, wie ich mich fühlte.
„ Sehr bedauerlich, Mr. Holmes, sehr bedauerlich“, hüstelte Maddox, um sich dann dem jüngeren Bruder mit den Worten zuzuwenden: „Es sind große Fußstapfen, in die Sie da treten, Master Holmes, sehr große Fußstapfen.“
Wenn Engländer statt „Mister“ die Anrede „Master“ benutzen, ist damit klargestellt, daß sie den damit Angesprochenen nicht für voll nehmen. Es war Voodoo Holmes nicht anzumerken, ob er den Verweis verstand. Jedenfalls grinste er über beide Ohren, als er antwortete: „Wissen Sie, große Latschen sind oft ein Zeichen von Plattfüßen. Und gerade bei den italienischen Stiefeln kriegt ja man immer nur die kleineren Nummern.“
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Es war kein gewöhnlicher Mordfall, an den wir hier angesetzt wurden. I ch behauptete ja von Anfang an, die Sache habe etwas mit dem Gebäude in der Essex Road selbst zu tun, zu dem
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