Voodoo Holmes Romane (German Edition)
fragte ich ihn.
„ Ich vermute es. Sehen Sie nicht, was die Gräfin von Hohenems in Händen hält?“
Ich schaute hin, und fürwahr: Eine Rose. Es war eine rote Rose, ein perfektes Exemplar, fast zu schade dafür, daß man es auf einem Bahnsteig spazieren trägt.
„ Im letztes Jahr gab sie der Toten ihre Rose. Um diese Blume drehte sich letztendlich alles. Auf dem Heimweg stieß Elisabeth auf die Leiche, in der Verwirrung nach der Auffindung, als alles durcheinander rannte. Sie wird den Lärm gehört haben und vielleicht auf das Pflaster getreten sein. Vermutlich lebt ihr Liebhaber irgendwo in der Nähe, vielleicht am Pfahlplätzchen in dem Bürgerhaus mit den Fratzen. Sie hat sie gefunden, und ihr die Augen zugedrückt, und ihre Hände gefaltet. Und ihr Geschenk an die Tote war dann die Rose, bevor sie sie ihrem Geschick überließ und sich davon machte.“
„ Eine Frau, die geliebt wird, kann nicht von einem Bann verzaubert werden, Holmes.“
„ Das wäre Ihre romantische Erklärung, Watson. Aber ich halte sie für zulässig, durchaus. Elisabeth wurde geliebt, und sie wird geliebt. Das ist neben ihrem natürlichen Adel all der Schutz, den sie braucht“, meinte er.
Ich konnte es sehen. Ja, sie schritt wie eine, die an die Liebe denkt, und die Verzweiflung verspürt einer Frau, die abreist im Gedanken, nun ein Jahr lang den Geliebten nicht mehr zu sehen. Das erklärte alles.
„ Es ist interessant, daß die Opfer der Hexe Tuberkulose hatten, Holmes", merkte ich an, um auch mein medizinisches Wissen in die Diskussion einfließen zu lassen. Es ist eine Krankheit, die nur selten infiziert, dann aber tödlich sein kann. Sie befindet sich in unserer neuen Zeit sichtlich auf dem Rückzug, und wenn man die Individuen, die sie befallen hat, isoliert, dann stirbt sie aus. Könnte es sein, daß es eine Rosenkrankheit ist, zu der ein altmodisches, um nicht zu sagen, mittelalterliches Weltbild gehört, Holmes?“
„ Das sind fachliche Fragen, die Sie mit Ihren Kollegen diskutieren sollten, und die ich nicht beantworten kann, Watson“, meinte er, und zog wieder an seiner Zigarre.
Ich beschloss, meinem Freund keine weiteren Fragen zu stellen. Ich setzte mich einfach neben ihn auf die Bank und legte meinen Kopf auf das Gepäck, um ein wenig zu schlummern. Immer wieder aber öffnete ich die Augen, denn die Ereignisse des heutigen Tages und der heutigen Nacht hatten mich in einen Rauschzustand versetzt, der jeden Schlaf verumöglichte. Ich vertrieb mir die Zeit bis zum Eintreffen des Zuges damit, Elisabeth zu betrachten. Ich verstand jetzt, daß sie höflich und entschieden jede Hilfe, die wir ihr angeboten, ausgeschlagen hatte. Ja, sie spielte in einer anderen Liga. Das mochte Vorteile haben, im Wesentlichen aber waren es Nachteile. Es schneite immer stärker, und ich hatte gemerkt, daß die Kaiserin dort draußen den Schutz des Bahnsteigdachs verlassen hatte und mit erhobenem Kopf da stand. Ihr Mund war offen, und sie ließ sich offensichtlich Schneeflocken auf die Zunge fallen. Ich fand das Bild irgendwie treffend. Dann hörte ich das Rollen und Brausen des einfahrenden Zugs, und im nächsten Augenblick war alles in Rauch und Dampf gehüllt. Dann mußten wir uns sogar etwas sputen, denn so ein Zug hatte hier nur relativ kurzen Aufenthalt.
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