Voodoo Holmes Romane (German Edition)
wir nun zu dritt aufbrachen, und in gewissem Sinne habe ich auch Recht behalten. Mächtig, mit einer schwarz eingefärbten Sandsteinfassade, war es zu groß geraten und fast sinister zu nennen. Ein riesiger Körper aus Stein schmiegte sich förmlich um die kleinen, hellen Schaufenster mit den lebensechten, ausgestopften Tieren des Präparatorladens wie ein unförmiges lebloses Gebilde. Dieser Zusammenhang sprang jedem förmlich ins Auge, wenn man im Nebel dort vorüberkam, als Kraftverhältnis, oder zumindest als etwas Namenloses, das sich zusammenballte. Was den Besitzer dieses Gebäudes dazu bewegt haben mochte, vor langen Jahren den Eingangsbereich als Geschäftlokal einem Tierpräparator zu vermieten, ist heute nicht mehr nachvollziehbar, denn auch jener ist längst gestorben, und seine ehemalige Lehrkraft, eine kleine, zierliche Frau von ansehnlicher Statur, hat ihn beerbt, ohne freilich an die geschäftlichen Erfolge ihres Vorgängers anschließen zu können. Ich bin dort auf dem Weg in die Baker Street häufiger vorübergekommen und kannte die Verhältnisse. Einen Kunden habe ich in dem Laden nie gesehen. So hatte alles einen heruntergekommenen Eindruck angenommen. Die Fensterscheiben, verstaubt, schimmerten mit unzähligen winzigen Schwebekörnern auf, wenn die Schaufensterbeleuchtung angedreht wurde, und man sah durch diesen Schleier die Exponate wie in einem unwirklichen, von Spinnweben dreidimensional aufgelösten Raum. Auf der anderen Seite des Gebäudes gelangte man durch ein steinernes Treppenhaus höher zu den zahlreichen Wohnparteien, die sich in der Unermesslichkeit der Nebenflure zu verlieren schienen. Wir betraten das Gebäude vom Geschäftslokal des Tierpräparators her, um durch die Hintertür ins Treppenhaus zu gelangen. Im Laden sah man sich von den starren Leibern ausgestopfter Rehe, Hasen, Leoparden dicht an dicht umstellt. Es waren blicklose Skulpturen von ehemals lebendigen Kreaturen mit glanzlosen Kunststoffaugen und begegnete dann unvermittelt einer überraschend elegant gekleideten, fast mädchenhaften Schönheit: Das war die neue Ladenbesitzerin. Und gerade diese Jugend und diese Schönheit waren aufgrund der geballten Masse gedrungener Fellkörper und klebriger Schlangenhäute und staubiger Gefieder so unerwartet, um nicht zu sagen, inadequat, weil einfach zu jung, zu unberührt, einfach zu frisch, daß man erschrak und augenblicklich Verdacht schöpfte, es gehe hier nicht mit rechten Dingen zu. Sie war mit der Inventur beschäftigt und grüßte uns nachlässig und mit einer hellen Stimme, und ich wechselte mit ihr einige Worte, während ein Polizist, der im Treppenhaus als Dauerwache abgeordnet worden war, Maddox Bericht erstattete. Der junge Holmes beachtete uns unterdessen nicht, stellte sich lieber vor die Tierpräparate und verwickelte sie in Scheindialoge. Er sprach mit ihnen wie ein Kind, fragte sie, wo sie her kämen und wie es ihnen gehe, und was sie zum Londoner Wetter sagten, was ich ungemein albern fand. Für den vorliegenden Fall schien er sich wenig zu interessieren. Vor allem schenkte er der Tierpräparatorin keine Aufmerksamkeit, die doch die Hauptverdächtige in den Augen der Behörden war, eine Ausländerin, deren Papiere allerdings in Ordnung zu sein schienen. Auch vor den säuberlich geführten Orderbüchern, der wohlgenutzten Werkstatt und dem perfekten Alibi dieser Dame waren Maddox und Konsorten kapituliert, aber ihr Verdacht war damit nicht ausgeräumt, obwohl sich die Tierpräparatorin nachweislich als Geigerin in einem Nachtclubensemble allnächtlich bis
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