Voodoo Holmes Romane (German Edition)
und holte die Amphore. Ich wusste, daß weiter keine Zeit zu verlieren war, und schämte mich ein bisschen, da ich die Amphore noch nicht gereinigt hatte. Wer aber hätte ahnen können, daß sie eine dermaßen zentrale Rolle einnehmen würde? Kaum in der Kammer angekommen, entnahm ich ihren Stopfen und stellte sie auf den Kopf, um zu sehen, ob sich irgendwelche Reste in ihr befanden. Tatsächlich: Es färbte sich der Rand ein bisschen mit einer dicken, goldgelben Flüssigkeit. Und nun geschah das Unverzeihliche: Ich legte meinen Finger darauf, tränkte ihn mit dem Öl, das da in der Flasche verblieben war, und leckte einmal daran, um zu sehen, wie es schmeckte. Warum es unverzeihlich war, davon wird noch zu sprechen sein. Damals hatte ich davon keine Ahnung. Es schmeckte nach Öl, das war alles. Da es sich um etwas ganz Geringfügiges handelte, wischte ich noch einmal mit dem Finger darüber und schmierte mir den Rest des Öls in die Kleider, bevor ich zu Holmes eilte.
Gemeinsam löffelten wir dann einen Teil des Schnees in die Amphore, während Holmes laut überlegte: „Natürlich ist die Frage, ob sich der Eismann nun im Schmelzprozess in einen anderen Aggregatszustand aufgelöst haben könnte. Dann wäre er als Gespenst in diesen Mauern etabliert und könnte uns gefährlich werden.“
„ Glauben Sie denn wirklich, daß er dann zum Beispiel eine scharfe Waffe führen könnte?“ fragte ich, während mir etwas merkwürdig zumute wurde.
„ Ja die Frage ist genau die. Entweder er ist ein Geist, der dann unbeseelte Objekte – zum Beispiel den auf ein Brett genagelten Kopf eines Büffels - von der Wand lösen und damit einen Vorübergehenden erschlagen könnte. Der könnte dann ein Schwert, wie es hier im Schloss oft über Feuerstellen gibt - weil der mit dem Schwert gekreuzte Lebensbaum schließlich das Wappen der Cumberton-Shoyles darstellt – herabfallen lassen, keineswegs aber selbst in seiner Geisterhand führen. Oder er verfügt über einen Mechanismus, Gegenstände oder auch Menschen in einen Zustand des Fluidums überzuführen und kann sie dann, wenn sie Dampf oder Nebel geworden sind wie er selbst, in seinem Reich auf gleicher Augenhöhe bekämpfen. Dann könnte er ihnen auch mit einem Schwert aus Wassertropfen den Kopf abschlagen.“
Ich bemühte mich, seinen Gedanken zu folgen, aber ich merkte, daß mir der Kopf schwer wurde. Holmes war das sofort aufgefallen: „Was ist los, Watson?“
Ich schüttelte den Kopf, erhob mich und merkte, daß ich zu schnell aufgestanden war, denn mir schwanden die Sinne.
„ Watson!“ hörte ich noch seinen besorgten Ausruf. Dann spürte ich, daß er mich zum Sofa führte. Ich war froh, meine Glieder auszustrecken. Eine ungekannte Schwäche hielt mich umfasst. In dem Augenblick konnte ich mir nicht erklären, woher sie stammte.
„ Ich glaube, das Klima bekommt Ihnen nicht“, meinte er, „mir übrigens auch nicht. Ich habe hier schon drei Kilogramm verloren, und ich kann nicht sagen, warum.“
„ Es ist keine gesunde Gegend“, meinte ich, dankbar darüber, daß er sprach. Ich merkte, daß von den Worten und Gedanken auch meine Kräfte wiederkehrten.
„ Ja, ich habe schon einige Tage gemerkt, lieber Freund, daß Ihnen die hiesigen Speisen auch nicht bekommen. Ich habe keine Ahnung, ob es daran liegt, aber mir wird schon übel, wenn ich an die Fische denke, die man hier aus der Buch holt.
„ Ja, sie haben einen eigentümlichen Geschmack“, gab ich mit schwacher Stimme zu. Auch der Gedanke an diese schwarzen, glatten Fische, die man uns in all den Wochen serviert hatte, bereitete mir Übelkeit.
„ Ich hoffe, daß wir mit dem Kopf des Schneemanns auch seine Essenz gebannt haben“, sagte Holmes.
Ich kam nicht umhin, an den Rest von Öl zu denken, der sich mittlerweile im Inneren der
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