Voodoo Holmes Romane (German Edition)
aber, wenn er die Kraft hätte, Lady Elin in Nebel zu verwandeln?“
Diese Erkenntnis traf mich wie ein Donnerschlag. „Und doch“, wandte ich ein, „nehmen wir an, er könne das: Warum schlägt er ihr dann das Haupt ab und verwandelt sie zurück in einen menschlichen Körper?“
„ Das wird zu klären sein“, sagte Holmes. „Aber, um meinen Gedanken fortzusetzen: Den natürlichen Ablauf zu stören, dazu würde es weniger Dinge bedürfen. Wenn ich nichts tat, war es sehr wahrscheinlich, daß in der vergangenen Nacht sich etwas wiederholen würde, das nun schon wieder und wieder eingetreten war: Nach einem heftigen Gewitter fand man eine enthauptete Leiche. Es war riskant, aber gedanklich folgerichtig, anzunehmen, daß die kleine elektrische Spannung, die man mit einem Handgenerator erzeugen kann, jenes Sandkorn wäre, das diesen mächtigen Mechanismus zum Stillstand bringen konnte. Vielleicht war es ein Mann aus durchscheinendem Eis, vielleicht war es Nebel, was die Mauern hoch kroch: Der geringste Eingriff würde neue Entwicklungen zeitigen. Und so war es, daß beim Eindringen in das Gemach aus dem Wesen Schnee entstand. Eis ist hart, ein Eispickel kann durchbohren, Schnee aber ist weich wie Sand, und zerbröselt. Das war Zufall, und doch keiner. Seit Jahrtausenden hatte es diese kleine elektrische Spannung nicht gegeben, dieses fremde, von Menschen errichtete Kraftfeld, und es reichte aus, daß ich in der Kammer nebenan wie besessen den funkensprühenden Generator antrieb, den ich dort aufgebaut hatte. Zugleich aber war ich bereit, nach nebenan zu laufen, sobald Lebensgefahr für Lady Elin zu befürchteten stand. Und als sie dann schrie ...“
Er machte eine Pause.
„ Was?“
„ Sie schrie in einer Art und Weise ...“ meinte Holmes.
„ Ja?“
„ Putzig“, meinte er. „Darüber bin ich mir gar nicht im Klaren. Ich weiß nicht, vor Schreck, ja. Aber vor Schreck um ein geliebtes Wesen.“
„ Ist das möglich? Holmes, Sie wissen nicht, was Sie damit sagen. Wollen Sie damit andeuten, sie habe das Gespenst erkannt, oder sogar erwartet?“
„ Das kann ich nicht sagen. Wenn ich es in ein Bild fassen müsste, würde ich behaupten, sie schrie wie ein Tier, das ein anderes in die Fallgrube stürzen sieht.“
„ Dann wusste sie, daß sie das Gespenst aufsuchen würde, wollte, daß es kommt?“
Holmes schüttelte den Kopf. Er stand auf, um mir die Bilder zu zeigen, die er noch am frühen Morgen vom Eismenschen entwickelt hatte. Die Bilder waren wenig gelungen, man sah wenig mehr als die Konturen einer weißen Masse, und konnte sich weit weniger gut als wenige Stunden zuvor vorstellen, daß es sich dabei um etwas wie einen überdimensionalen menschlichen Körper gehandelt haben konnte, der zu Eis geronnen war.
„ Sie schrie“, wiederholte Holmes, „wie jemand, der ein geliebtes Wesen sterben sieht.“
Später schlossen wir die Kammer Lady Elins auf und begutachteten die glasigen Reste von Schnee, die in einer großen Pfütze Wasser lagen.
„ Fällt Ihnen etwas auf?“ fragte Holmes.
Ich betrachtete den Schneehaufen genauer. „Tatsächlich!“ murmelte ich. Der Kopf des „Eismannes“ fehlte. Er war vermutlich weggeschmolzen, oder - verschwunden?
„ Sagen Sie, Holmes ...“, begann ich.
„ Wir werden es asservieren“, schlug er vor. „Haben Sie ein Gefäß, aus dem auch nicht der geringste Dunst entweichen kann?“
Ich schüttelte den Kopf. Dann kam mir eine Idee: „Das einzige, was ich habe, ist die antike Vase, die uns Heerwald verehrt hat. Sie hat nicht nur hohen Wert, er erzählte mir, wie erstaunlich es sei, daß man schon vor Jahrtausenden Gefäße mit Stopfen brennen konnte, die so passgenau waren, daß ihr Inhalt wie versiegelt wirkt.“
„ Großartig. Holen Sie die Vase.“
Ich verließ den Raum
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