Voodoo Holmes Romane (German Edition)
längsten zu verharren. Ich hatte manchmal, wenn sie reglos hinter einer Säule stand, den Eindruck, sie beobachte jemanden, und sei eine Verfolgerin, die unbemerkt selbst verfolgt wird. Den Ausstellungsstücken schenkte sie keine Beachtung, und sie las keine erklärenden Tafeln. Ich folgte ihr an jenem Abend eine gute Stunde lang durch das Gebäude. Als wir wieder ins Freie gelangen, änderte sie augenblicklich ihre Gangart, und als sie in die Richtung des Eiffelturms hinstrebte, wurde ihr Gang zielgerichtet und entschlossen. Ich hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Der Turm war ebenso hell erleuchtet. Er hätte das Gerüst eines Weltballes aus Pappmasche abgeben sollen, war aber dankenswerter Weise von einer derartigen Verstümmelung verschont geblieben, erhob sich in der Nähe massig und zugleich filigran, sich aus unübersehbar vielen Stahlstreben zum Turm flechtend, aus dem Dunkel der Nacht bis in schwindelerregende Höhe hoch oben in der Nacht. Unten auf der Plattform zwischen den Aufgangstürmen nahm die Menge an Dichte zu, es waren hier zahlreiche Verkaufsstände eingerichtet, die trotz so später Stunde noch geöffnet hatten und sehr frequentiert waren. Und an dieser Stelle verlor ich Elin dann auch. Gerade eben noch hatte sie sich in die Nähe eines der Türme begeben, doch als ich dort ankam, wurde ich selbst von einer Aufsichtsperson zurückgewiesen, der Eingang sei gesperrt. Ich konnte nicht mehr ergründen, ob sie an ihm vorbeigehuscht war, und als ich versuchte, mit einem Geldschein die Passage zu erzwingen, wurde ich von einer Schimpfkanonade überschüttet. Ich lief noch einmal um den Turm und über dessen Umgrenzung hinaus, sprang in die Höhe, um über die Köpfe der Passanten zu blicken, doch es war alles vergeblich, ich hatte sie aus den Augen verloren.
Im Hotel traf ich Holmes beim Akkordeonspiel an. Er saß mit einer größeren Gruppe von Einheimischen da und sang gemeinsam mit zwei Clochards lauthals etwas Französisches. Er tat, als hätte er mich nicht gesehen, und ich war bereits an meinem dritten Sherry, bis er seine Kumpane verabschiedete, und mich an die Bar führte, um seinerseits einen Sherry zu nehmen. „Watson“, meinte er mit einem Augenzwinkern, „es ist ja fast so, als hätten Sie einen Geist gesehen.“
„ Fürwahr, das kann man sagen“, gab ich zurück, „ein Geist war es – aber nicht von der edlen Sorte.“
„ Eine gemeinsame Bekannte?“ erkundigte er sich harmlos, was mich elektrisierte.
„ Woher ...?“ fragte ich, bass erstaunt.
„ Also doch. Lady Cumberton, nehme ich an?“
„ Holmes! Dieselbe. Und ich hatte mir eigentlich vorgenommen, Ihnen davon nichts zu sagen, nun, da der Fall abgeschlossen ist.“
„ Im Palast des Lichtes, nicht wahr?“
„ Ja – aber – woher wissen Sie das alles?“ stammelte ich ratlos.
Wieder zwinkerte er mit den Augen und forderte mich schweigend mit einem Handzeichen auf, ihm zu folgen. Es war schon spät geworden und der große Saal des „Bristol“, in dem wir das Dinner einzunehmen pflegten, lag im Zwielicht, bis wir eine der Gaslampen entzündet hatten. Beinahe ein Drittel des Saales wurde von einer Bühne eingenommen auf der man zum Anlass der Weltausstellung ein Modell des Ausstellungsgeländes und der umliegenden Innenstadt errichtet hatte (übrigens sah man darauf auch das „Bristol“). Es war eine eindrucksvolle Fleißarbeit hemmungsloser Bastler, die zwischen den Laubsägestrukturen auch zahlreiche Püppchen abgestellt hatten, die die Besucher darstellen sollten. Es handelte sich um Hunderte von dergleichen Nachbildungen, Holmes aber lenkte meine Aufmerksamkeit auf zwei davon, wobei ich einen Aufschrei unterdrückte: Eine der Puppen hatte große
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