Voodoo Holmes Romane (German Edition)
Ähnlichkeit mit mir selbst, die andere aber glich Elin, und beide Puppen standen vor dem Modell des Lichtpalastes! Mir fiel auf, daß auf dem Kopf der „Watson“-Puppe wirkliche Haare klebten – oder zumindest ein langes, eingerolltes Menschenhaar. Ich streckte den Gehstock vor, um mit dem Griff die Puppe aus dem Ensemble heraus zu ziehen und näher zu begutachten, und bekam dabei beide Figuren in die Hände, so nahe beisammen standen sie. Ja, tatsächlich, es war dem „Watson“ ergangen wie vermutet. Mein Blick auf Holmes beantwortete die Frage. „Ich habe mir heute Morgen erlaubt, sie von Ihrem Kopfkissen zu lesen, Watson“, bestätigte er meinen Verdacht, „es sind Ihre.“
„ Und Elin?“ fragte ich, da deren wallendes blondes Haar auf der Puppe bloß angemalt war. Holmes lächelte, und da ich ihn genau kannte, wurde ich puterrot.
„ Das kann nicht sein!“ rief ich aus, „Holmes, Sie haben doch nicht wirklich –!“
Er lachte laut auf, drehte sich um und ging im Raum spazieren und stimmte eines dieser grässlichen Clochardlieder an, wobei er dazu in die Hände klatschte. Schamhaft lüpfte ich dem Püppchen das Stoffkleidchen. Unglaublich! Da klebten im bloß angedeuteten Schambereich der „Elin“ wirkliche Schamhaare! Gekräuselt, orangerot und so sorgfältig angeordnet, daß man wie zum Hohn jenes kleine Löckchen links an der Oberkante sah wie bei der wirklichen Elin auf Tyne!
„ Holmes!“ rief ich aus, empört, verständnislos, „was soll das, diese beschämende, diese entsetzliche – Travestie!?“
Er saß längst auf einem der Speisesaalstühle und zündete sich ein Zigarettchen an.
„ Nur ruhig, alter Freund!“, meinte er, „übrigens, könnten Sie so freundlich sein, die Püppchen dort in diesen kleinen Park zu setzen, vor das Bristol? Danke.“
Ich muß gestehen, daß mich der Vorfall vollkommen erschütterte. Ich stand wie in Trance vor dem Stadtmodell, und es mochte eine Weile gedauert haben, bis ich die Figürchen im Park vor dem Pappmache-Bristol abgestellt hatte.
„ Holmes, nun werden Sie mir unheimlich“, brachte ich knapp hervor. Der Gedanke an mein gewundenes Kopfhaar und das gekräuselte Schamhaar eines Gespenstes erschien mir obszön, wie eine fixe Idee, ich konnte aber mir nicht darüber klar werden, was mich quälte, und warum eigentlich.
„ Ganz ruhig, Watson“, meinte der junge Holmes, „nehmen Sie doch Platz und wir werden das Ganze in aller Ruhe für Sie aufdröseln.“
Ich tat wie geheißen und nahm noch ein Gläschen Sherry zu mir.
„ Zuerst einmal das Wichtigste“, sagte Holmes. „Wie war Ihr Tag?“
„ Mein Tag war ... nun, irgendwie nicht mein Tag.“
Ja, ich spürte es jetzt, im Rückblick. Es stimmte, ich war stundenlang wie an Marionettenfäden durch die Ausstellung getorkelt, wobei das Zentrum, der exakte Kern des Kraftfeldes, um das ich rotierte, jener Ort vor dem Lichtpalast gewesen war – und Elin war es wohl genauso ergangen. Wir hatten Kräften unterlegen, die wir nur sehr eingeschränkt steuern konnten. Zwar war es mir möglich gewesen, einmal in diese oder jene Richtung abzuschweifen, unvermeidlich aber war ich danach erneut auf den Vorplatz zurückgekehrt. Dort war ich auch Elin begegnet, die ebenso geistesabwesend um dieses Kraftfeld gravitiert hatte, gesteuert von ihren verlustig gegangenen Haaren. Nun war mir bewusst, daß unsere Vorväter bis in die Neuzeit hinein gerade auf ihr Haupthaar – den Griechen galt es als Sitz der Seele – mit Akribie geachtet hatten. Nach einem Haarschnitt wurden die abgefallenen Haare sorgfältig zusammengelesen und vergraben, auf daß nicht Vögel oder böswillige Menschen es verschleppten. Wurde es in ein Vogelnest eingeflochten, drohten lebenslange
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