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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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Nachrichten aufnehmen, damit er bloß nichts verpasste.«
    »Sie wussten also, wer ich bin? Warum haben Sie nichts gesagt?«
    »Wozu? Außerdem bin ich davon ausgegangen, dass Sie wussten, dass Allain mich über Sie aufgeklärt hat.«
    »Auch wieder wahr«, sagte Max.
    »Ray hat Sie verachtet. Er meinte, Sie seien ein Krimineller mit Dienstausweis. Sie, Joe Liston, Eldon Burns, die ganze Miami Task Force. Er hat sie gehasst, sie alle, weil sie den guten Ruf der Polizei beschmutzt haben.«
    »Was hat er denn gemacht, Ihr Raymond? Welches Dezernat?«
    »Als er Detective wurde? Erst Sitte, dann Drogendezernat. Er wollte ins Morddezernat, aber dazu hätte er sich mit den Leuten gutstellen müssen, die von Ihnen so viel gehalten haben.«
    »So ist das nun mal im Leben. Es geht immer um Politik, um gegenseitige Abhängigkeiten, und wer wem was schuldig ist«, sagte Max. »Man kommt nicht hin, wo man hin will, ohne ein paar Herzen zu brechen und ein paar Leute aus dem Weg zu räumen.« Er konnte sich gut vorstellen, was für eine Kategorie Mann ihr Gatte gewesen war: Typ selbstgerechtes, ehrgeiziges Arschloch, das irgendwann in der Innenrevision landet, weil man da schneller befördert wird und weil Hinterhältigkeit und Verrat dort belohnt werden. »Wieso haben Sie sich getrennt?«
    »Er hat mich betrogen.«
    »Was für ein Vollidiot!« Max lachte, und sie stimmte mit ein.
    »Das war er. Waren Sie Ihrer Frau treu?«
    »Ja«, nickte Max.
    »Kann ich mir vorstellen.«
    »Ach ja?«
    »Ich habe noch nie jemanden gesehen, der ein so gebrochenes Herz hatte wie Sie.«
    »Ist das so offensichtlich?«
    »Ja, das ist es, Max«, sagte sie und sah ihm in die Augen. »Sie sind nicht hier, um Charlie zu finden. Und auch nicht wegen des Geldes. So was machen andere Leute. Sie sind hier, um vor Ihren Geistern zu fliehen und vor den Schuldgefühlen und dem Schmerz, die Sie mit sich herumtragen, seit Ihre Sandra gestorben ist.«
    Max wich ihrem Blick aus und schwieg. Er hatte keine Antwort parat, kein vorgefertigtes Dementi. Ihre Worte hatten ihn getroffen, tief getroffen, sie waren so wahr, dass es schmerzte.
    Die Türen zum Tempel waren geöffnet worden, und die ersten Leute spazierten wie beiläufig hinein, wie von Neugier und dem Drang nach einer frischen Erfahrung angezogen.
    Auch die Trommeln hatten eingesetzt, ein langsamer Beat, den Max in den Fußknöcheln spürte und der seinen Füßen Lust machte, sich zu bewegen, zu tanzen, zu gehen, zu rennen.

    Der Innenraum des Tempels war sehr viel größer, als er erwartet hatte: groß genug, um gleich zwei Zeremonien und ihre über hundert Teilnehmer und Zuschauer zu beherbergen, plus ein ganzes Orchester aus Trommlern, die an der ganzen Wand entlang auf viersitzigen Bänken saßen.
    Bei ihrem Anblick erwartete er, das pure Chaos zu hören, die Rhythmen von Port-au-Prince übersetzt in Stammesmusik. Alle Instrumente waren selbst gebaut: grob ausgehöhlte Baumstämme oder ehemalige Ölfässer, über die mit Hilfe von Nägeln, Reißzwecken, Seilen und Gummibändern Tierhäute gespannt waren. Aber er erkannte den Klang von Tomtoms, Snares, Bongos, Bass- und Kesselpauken. Die Musiker saßen willkürlich durcheinander, wo gerade Platz war, und es gab niemanden, der sie dirigierte oder führte oder den Einsatz gab. Sie beobachteten das Geschehen, hörten zu, und ihre Hände bewegten sich im immer gleichen Takt, gleichmäßig wie ein Metronom, nicht lauter und nicht leiser als fernes Donnergrollen.
    Max ahnte, dass das nur das Vorspiel war.
    Dank der vielen Menschen, der fehlenden Belüftung und der brennenden Fackeln an den Wänden, die ein bernsteinfarbenes Licht abgaben, war es heiß wie in einem Dampfbad. Die Luft war zum Schneiden dick. Weihrauch stieg in dicken Wolken hoch zur Decke und kam als leichter Smog wieder herunter.
    Als Max tief Luft holte, um mehr Sauerstoff ins Blut zu pumpen, spürte er einen Rausch wie von einer Droge, die Sedativum und Amphetamin zugleich war: ein entspanntes, beruhigendes Gefühl am Rücken, das Blut rauschte ihm in die Augen, und sein Herz fing an zu rasen. Ein Cocktail natürlicher Aromen stieg ihm in die Nase: Kampfer, Rosmarin, Lavendel, Gardenien, Minze, Zimt, frischer Schweiß und altes Blut.
    In der Mitte des Tempels tanzten die Leute singend um eine dicke schwarze Steinsäule herum, die zu einem gewaltigen Mopou -Stamm gemeißelt war, der vom Boden bis durch ein großes rundes Loch in der Decke reichte und von dem Kreuz gekrönt wurde, das sie von

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