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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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Und trotzdem war da nicht die geringste Leidenschaft in ihrer Stimme, als hätte sie diesen Vortrag schon zeit ihres Leben einstudiert und als hätten die Worte längst ihre Bedeutung verloren, als wäre es nur noch eine Aneinanderreihung von Stichpunkten, die sie bis zum Ende abarbeiten musste.
    »Für Sie ist es das Einfachste, uns alle als unschuldige, verletzliche Opfer hinzustellen. Aber es gibt da Unterschiede. Ein paar von uns können sich durchsetzen, und am Schluss stehen wir ganz oben.«
    »Das hier nennen Sie ganz oben?« Max zeigte mit ausholender Geste durch den Raum. »Sie werden sterben, und es wird kein leichter Tod sein.«
    »Kein Mensch hat mich jemals so gut behandelt wie er. Keiner. In meinem ganzen Leben nicht. Ich bedaure nichts. Wenn ich etwas anders machen könnte, ich würde es nicht tun«, sagte sie ruhig.
    »Erzählen Sie mir von Maurice. Wie hat er Sie entführt? Wie hat er es angestellt?«
    »Er hat mich nicht entführt«, sagte sie ungeduldig. »Er hat mich gerettet.«
    »Meinetwegen«, seufzte Max. »Erzählen Sie mir, wie er es gemacht hat.«
    »Das Erste, woran ich mich erinnere, ist seine Kamera, damals hatte er noch eine Super 8. Sie hat sein halbes Gesicht verdeckt. Ich habe ihn immer morgens gesehen. Meine Freundinnen und ich, wir haben ihm zugewinkt. Er hat mit uns geredet und uns kleine Geschenke zugesteckt, Süßigkeiten oder diese kleinen Drahtfiguren, die er von uns gemacht hatte. Mir hat er am meisten Aufmerksamkeit geschenkt. Er hat mich zum Lachen gebracht. Meine Freundinnen waren so eifersüchtig.« Eloise lächelte. »Eines Tages hat er mich gefragt, ob ich mit ihm mitgehen möchte, auf eine Reise an einen verzauberten Ort. Ich habe Ja gesagt, und im nächsten Moment saß ich schon neben ihm im Auto. Es war die beste Entscheidung meines Lebens.«
    Max versuchte zu schlucken, aber sein Mund war ausgetrocknet. Sie hatte recht. Sie war nicht so, wie er erwartet hatte. Er wusste vom Stockholm-Syndrom, von Entführungsopfern, die sich in ihren Entführer verliebten. Aber bei einem Kindesmissbrauch war ihm das noch nie begegnet.
    Er war in höchstem Maße verwirrt – und fassungslos und entsetzt. Und das Schlimmste war, dass er es nicht schaffte, das zu überspielen, dass er ihr einen Einblick in sein Inneres gewährte, dass er ihr damit eine Position der Überlegenheit verschaffte, der Macht.
    »Aber … was ist mit Ihrer Familie?«
    Sie stieß ein bitteres Lachen aus, ihr Gesicht blieb starr, die Augen kalt und fest. »Meine Familie? Vater, Mutter, Kind, wie bei Ihnen in Amerika? Meinen Sie das, wenn Sie von meiner Familie sprechen?«
    Max sah sie ausdruckslos an. Er würde sie reden lassen, bis ihm einfiel, wie er wieder die Kontrolle übernehmen konnte.
    »Nun, ganz so war es bei mir nicht, das können Sie mir glauben. Ich habe nur noch sehr wenige Erinnerungen daran aber ich würde alles dafür geben, auch die zu vergessen. Zu acht in einer winzigen Hütte mit nur einem Zimmer. Wir waren so arm, dass wir nichts anderes zu essen hatten als Erdkuchen. Wissen Sie, was ein Erdkuchen ist? Sehr wenig Maismehl mit viel Erde und Wasser aus dem Abflussgraben, alles zusammengemischt und in der Sonne stehen gelassen, bis es zu einem Kuchen getrocknet ist. Das habe ich gegessen, jeden Tag.«
    Sie hielt inne und sah ihn provozierend an, sie wollte ihn dazu bringen, ihr mit dem Großen und Ganzen zu kommen, sie mit irgendwelchen einfach gestrickten Moralvorstellungen einwickeln zu wollen.
    Als sie sah, dass er da nicht mitspielte, veränderte sich ihre Haltung, und sie wurde unsicher. Dann atmete sie tief durch die Nase ein, hielt die Luft an, schloss die Augen und senkte den Kopf.
    Über eine Minute lang hielt sie den Atem an, ihre Augen schossen hinter den Augenlidern hin und her, ihre Finger zwirbelten die Zipfel des Taschentuchs, und ihre Lippen bewegten sich schnell, aber lautlos. Entweder betete sie, oder sie trug einen inneren Konflikt mit ihrem Gewissen aus. Dann erstarben die neurotischen Bewegungen eine nach der anderen: Sie legte das Taschentuch in den Schoß und die Hände mit den Handflächen nach unten auf die Oberschenkel. Ihre Lippen erstarrten, und ihre Augen rollten nicht mehr.
    Schließlich atmete sie durch den Mund aus, öffnete die Augen und fing an zu sprechen.
    »Ich werde Ihnen alles erzählen, was Sie wissen wollen. Ich werde Ihnen sagen, wo wir die Kinder halten und an wen wir sie verkaufen. Ich werde Ihnen sagen, wer für uns arbeitet und für wen wir

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