Voodoo
hörte aufmerksam ihrer Unterhaltung zu, lauschte auf jedes Wort und plapperte die nach, die er verstand. Wenn einer » fuck « oder » shit « sagte, einen Markennamen oder den Namen eines Stars fallen ließ, sprach der Haitianer ihm nach, schlug sich auf die Oberschenkel und lachte wie über einen zotigen Witz, oder er nickte und sagte: » Yes , man « oder: » That’s right yo !« in einem Akzent, den er für amerikanisch hielt und der doch eher nach chinesischem Jodeln klang. Hin und wieder schauten die Leute ihn an und lachten, manche nachsichtig, andere eher spöttisch. Ein paar blieben still, sie hatten eine tiefe Abneigung gegen ihr Anhängsel gefasst. Max sah das an ihren Gesichtern und ihrer Haltung, an den schmalen Augen, wenn sie versuchten, ihn nicht anzusehen, wie sie aufstöhnten, wenn er wieder jemandem nachplapperte. Wahrscheinlich wollten sie einfach nur ihre Ruhe haben.
Der Haitianer trug eine Baseballkappe verkehrt herum auf dem Kopf, ein weites T-Shirt mit Stars and Stripes vorn und hinten, tief hängende Jeans und Nike-Turnschuhe. Ein echter Fan seiner Eroberer.
Dann begriff Max, was da wirklich vor sich ging.
Der Haitianer redete mit jemandem, den Max bis dahin nicht gesehen hatte und der in der Mitte der Gruppe stand, von seinen Kollegen verdeckt. Max bemerkte ihn erst, als einer aus dem Kreis zur Theke ging, um Getränke zu holen.
Ein Kerl mit kurzgeschorenem blondem Haar, einer winzigen Nase und dickem Schnauzer. Er machte sich einen Spaß mit dem Haitianer, er tat so, als wolle er ihm Englisch beibringen, in Wirklichkeit aber führte er ihn vor.
Max lauschte.
»Sprich mir nach: › I ‹«, sagte der Kurzgeschorene und hob die Hände wie ein Dirigent.
» Ei … «
» Live … «
» Lieef-e … «
» In …«
» Hin … «
» A … «
» Äi … «
» Zoo …«
» Suuuu … «
» Called … «
» Kollt … «
»Nein … call-dah … «
» Koll-de … «
»Sehr gut … I live in a zoo called Haiti.«
»… Äyiti? «
»Was? Ja, ja, – Ahihi, oder wie immer ihr Bimbos dieses Dreckloch nennt.« Der Kurzgeschorene lachte, und seine Kollegen fielen mit ein – bis auf die wenigen Andersdenkenden, von denen einer Max einen hilflos entschuldigenden Blick zuwarf, wie um zu sagen: Mit denen habe ich nichts zu tun, ich kann nichts dafür.
Max hatte wenig Sympathie für ihn und sein anerzogenes Schuldgefühl. Es war der Haitianer, der ihm leid tat. Er bot ein jämmerliches Bild, und das machte ihn wütend. Es erinnerte ihn an die Onkel-Tom-Nummer von Sammy Davis Junior bei den Vegas-Auftritten des Rat Pack, die er auf Video hatte. Während Frank und Dean ihn auf offener Bühne demütigten, ihn vor einem kreischenden und grölenden Publikum mit allen erdenklichen, gerade noch erlaubten rassistischen Schimpfwörtern belegten, schlug sich Sammy auf die Oberschenkel, klatschte in die Hände und riss den Mund auf, als hielte er das alles für einen Spitzenwitz. Seine Augen aber blickten kühl und distanziert, in Gedanken war er ganz woanders, und mit dem weit offenen Mund sah er plötzlich aus, als würde er vor Schmerz und – vor allem – vor Wut heulen. Doch sein Schrei ging im Trommelwirbel und dem brüllenden Gelächter des Publikums unter. Der Haitianer hatte Sammys Platz eingenommen, nur dass es für ihn nicht so schlimm war, weil er wenigstens nicht begriff, was der Kurzgeschorene da mit ihm veranstaltete.
In diesem Augenblick überkam Max zum ersten Mal in seinem Leben für einen kurzen Moment ein Gefühl der Scham, Amerikaner zu sein.
Er drehte sich wieder zur Theke und hielt dem Barmann sein Glas hin, damit er nachfüllte. Er bekam seinen vierten Barbancourt, und der Barmann fragte ihn, wie er ihn fand. »Super«, sagte Max.
Ein Mann kam zur Theke und gab auf Kreolisch seine Bestellung auf. Er wechselte ein paar Worte mit dem Barmann und brachte ihn zum Lachen.
Dann drehte er sich zu Max und nickte ihm freundlich lächelnd zu.
Max nickte zurück.
»Gerade erst angekommen?«, fragte der Mann.
Max wusste nicht, ob er die Bar oder das Land meinte. Der Rum zeigte Wirkung. Max blickte über den Rand der Nüchternheit in den Abgrund und spielte mit dem Gedanken zu springen.
»Max Mingus, richtig?«, fragte der andere.
Max starrte ihn zu lange an, um noch so tun zu können, als liege eine Verwechslung vor. Er schwieg und wartete ab, was als Nächstes kommen würde.
»Shawn Huxley.« Lächelnd streckte er ihm die Hand hin. Max nahm sie nicht. »Entspannen Sie sich …
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