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Voodoo

Voodoo

Titel: Voodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stone
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Soldat war fertig und zog sich im Gehen den Reißverschluss zu. Er warf ihnen noch einen Blick zu und rülpste laut und anhaltend in ihre Richtung.
    Max sah ihn an, ließ ihm das passende Maß an Aufmerksamkeit zukommen, ohne ihm direkt in die Augen zu sehen. Die meisten Leute konnte man dazu bringen, wegzugucken, indem man sie glauben machte, dass man nichts zu verlieren hatte. Bei anderen musste man selbst nachgeben, auch wenn man ganz genau wusste, dass man sie fertig machen konnte. Die Kunst lag darin, den passenden Moment abzuwarten und sein Gegenüber richtig einzuschätzen. Und hier lief alles ganz falsch.
    Der Kurzgeschorene ging zurück in die Bar.
    Huxley holte noch eine Zigarette aus der Schachtel. Er wollte sie anzünden, aber seine Hände zitterten heftiger als bei einem Alkoholiker auf Entzug. Max nahm ihm das Feuerzeug aus der Hand und schnippte es an.
    »Über solche Scheiße – Scheiße wie den da – schreibe ich«, schimpfte Huxley durch die erste Rauchwolke, und seine Stimme zitterte vor Wut. »Die Scheiß-Amis sollten sich schämen, ein Arschloch wie den in ihrem Namen auf die Menschheit loszulassen.«
    Max war ganz seiner Meinung, behielt es aber für sich. »Sie sind also Haitianer, Shawn?«
    Huxley war überrascht.
    »Ihnen entgeht aber auch nichts, wie?«
    »Ich sehe nur, was vor meiner Nase liegt«, sagte Max, dabei hatte er nur geraten.
    »Sie haben recht, ich bin hier geboren. Mit vier wurde ich von einem kanadischen Ehepaar adoptiert, meine Eltern waren beide tot. Bevor ich aufs College ging, haben sie mir von meiner Herkunft erzählt«, erklärte Huxley.
    »Das Ganze ist also eine Art Roots -Geschichte für Sie?«
    »Eher ein ›Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm‹. Ich weiß, woher ich komme«, sagte Huxley. »Sagen wir, ich möchte ein bisschen was zurückgeben.«
    Der Mann wurde ihm langsam sympathisch, und das lag nicht nur am Rum und ihrer gemeinsamen Abneigung gegen den Kurzgeschorenen. Huxley hatte eine Ehrlichkeit an sich, die in den Medien nicht oft anzutreffen war: Vielleicht war er neu im Spiel und hatte seine Unschuld noch nicht ganz verloren, oder aber er hatte noch gar nicht begriffen, dass es tatsächlich ein Spiel war, und wähnte sich auf einer Mission, der Suche nach der so genannten Wahrheit. Max hatte auch einmal Ideale gehabt – damals, als er bei der Polizei angefangen hatte und noch jung genug gewesen war, den Schwachsinn vom Guten im Menschen zu glauben und dass ein Wandel zum Besseren möglich sei. Er hatte sich für eine Art Superhelden gehalten. Weniger als eine Woche auf Streife, und er war zum extremen Zyniker geworden.
    »Wo kann ich Sie erreichen?«, fragte Max.
    »Im Hotel Olffson. Ist das berühmteste Hotel in Haiti.«
    »Und was soll mir das sagen?«
    »Graham Greene hat dort gewohnt.«
    »Wer?«
    »Mick Jagger auch. Genau genommen wohne ich in dem Zimmer, in dem er Emotional Rescue geschrieben hat. Sie sehen nicht sehr beeindruckt aus, Max. Kein Stones-Fan?«
    »Sind da auch schon wichtige Leute abgestiegen?«, grinste Max.
    »Niemand, den Sie kennen würden«, lachte Huxley und gab ihm seine Visitenkarte mit Namen und Beruf, der Adresse des Hotels und einer Telefonnummer.
    Max schob sie in die Jackentasche zu der handsignierten CD von Sinatra, die Carver ihm geschenkt hatte.
    »Ich melde mich, sobald ich mich hier zurechtgefunden habe«, versprach Max.
    »Bitte tun Sie das«, sagte Huxley.

13
    Gegen zwei Uhr verließ Max das La Coupole. Vom Barbancourt war ihm schwindelig, aber es war ein angenehmer Schwindel. Seit jeher hatte der Alkohol ihn damit gelockt, ihn an einen besseren Ort zu befördern. Und hatte letztendlich doch nur sein Steuersystem außer Kraft gesetzt und ihn auf halbem Wege liegen lassen, um ihm einen Geschmack vom unvermeidlichen Absturz zu vermitteln. Aber diese Betrunkenheit war anders, eher wie ein Opiumrausch. Er hatte ein Lächeln auf dem Gesicht und dieses wunderbare Gefühl im Herzen, dass alles gut wird und die Welt doch gar nicht so schlecht ist. Wirklich gutes Zeug, dieser Rum.
    Dunkle Telegrafenmasten ragten mit einer leichten Vorwär tsneigung in Richtung des hell erleuchteten Zentrums von Pétionville aus dem Asphalt. Die Kabel hingen so tief und so lose, dass Max sie hätte anfassen können, wenn er gewollt hätte. Er ging mitten auf der Straße, spürte seine eigenen Schritte kaum und stemmte sich gegen die Erdanziehungskraft, die ihn vornüber aufs Gesicht zu werfen drohte, nach hinten. Hinter ihm kamen ein paar

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