Voodoo
Captains.
»Um den Frieden zu sichern?«, wiederholte Paul. »Und tun Sie das?«
»Worum geht es hier?«
»Beantworten Sie meine Frage. Tun Sie hier Ihre Arbeit? Sichern Sie den Frieden?«
»Ja, ich … ich denke schon.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Es gibt keinen Bürgerkrieg. Es wird nicht gekämpft.«
»Das ist wahr. Im Moment.« Paul betrachtete die sieben Soldaten, die bequem dastanden. »Würden Sie sagen, dass Ihre Aufgaben – dieses ›Friedensichern‹, das Sie Ihrer Ansicht nach so gut machen –, würden Sie sagen, dass dazu auch gehört, das haitianische Volk zu beschützen?«
»Be-beschützen?«
»Ja, beschützen. Sie wissen schon, damit ihm kein Unheil widerfährt. Verstehen Sie das?«
Jetzt war da eine Spur Gehässigkeit in Pauls Stimme.
»Ja.«
»Ah, gut. Und erfüllen Sie Ihre Aufgabe?«
»Ich … ich … ich glaube, ja.«
»Glauben Sie? Sie glauben das?«
Der Captain nickte. Paul starrte ihn an. Der Captain wich seinem Blick aus. Er drohte die Haltung zu verlieren.
»Dann sagen Sie mir, Captain: Glauben Sie, zum Schutz des haitianischen Volkes gehört es, Frauen zu vergewaltigen? Aber nein, lassen Sie mich das präzisieren. Glauben Sie, Captain Saggar, zum Schutz des haitianischen Volkes gehört es, junge Mädchen zu verprügeln und zu vergewaltigen?«
Saggar schwieg. Seine Lippen zitterten, sein ganzes Gesicht bebte.
»Nun?«, fragte Paul und beugte sich zu ihm hinunter.
Keine Antwort.
»Beantworten Sie meine Frage!«, brüllte Paul, und alle, einschließlich seiner eigenen Leute, fuhren zusammen. Max spürte die Stimme in seinen Eingeweiden vibrieren wie einen tiefen Basslautsprecher.
»I-i-ich …«
»I-i-i-i …«, äffte Paul ihn in tuntigem Tonfall nach. »Haben Sie Feuer unter den Füßen, Captain? Nein? Gut, dann antworten Sie.«
»N-n-n-nein, d-d-das gehört nicht dazu, aber … aber … aber …«
Paul hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen, und Saggar zuckte zusammen.
»Jetzt wissen Sie, worum es hier geht.«
»Entschuldigung!«, stieß der Captain hervor.
»Wie bitte?«
»Wir haben um Entschuldigung gebeten. Wir haben einen Brief geschrieben.«
»Was … den hier? « Paul zog ein Blatt Papier aus der Tasche und las vor. »› Sehr geehrter Herr Le Fen ‹, das ist der Mann da drüben neben dem Jeep, der mit dem roten Hemd, das ist er … › Ich schreibe Ihnen , um mich im Namen meiner Männer und des Friedenskorps der Vereinten Nationen für den bedauerlichen Zwischenfall zu entschuldigen , zu dem es zwischen Ihrer Tochter und einigen unter meinem Kommando stehenden Männern gekommen ist . Wir werden alles dafür tun , dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt . Hochachtungsvoll , Captain Ramesh Saggar ‹.«
In aller Ruhe faltete Paul den Brief wieder zusammen und schob ihn zurück in die Hemdtasche.
»Wussten Sie, dass neunzig Prozent der Bevölkerung Haitis Analphabeten sind? Haben Sie das gewusst, Captain?«
»N-n-nein.«
»Nein? Wussten Sie, dass Englisch hier nicht die Landessprache ist?«
»Ja.«
»Genau genommen ist es die dritte Sprache, wenn Sie so wollen. Aber neunundneunzig Prozent der Bevölkerung sprechen nicht Englisch. Und Herr Le Fen gehört zu dieser Mehrheit. Was wollen Sie da mit einem auf Englisch verfassten Brief erreichen? Häh? Aber was noch entscheidender ist: Welchen Nutzen soll ein lausiger Brief Vérité Le Fen bringen? Wissen Sie, wer das ist, Captain?«
Saggar antwortete nicht.
Paul rief der Gruppe Zivilisten etwas zu und streckte den Arm aus. Ein Mädchen kam auf ihn zu, sie humpelte stark.
Sie stellte sich vor Saggar. Die beiden waren gleich groß, nur dass das Mädchen unnatürlich gebückt stand. Max konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber der Miene des Captains nach zu urteilen, musste sie in ziemlich übler Verfassung sein.
Max warf einen Blick zu den Soldaten. Einer – ein magerer, kahlköpfiger Mann mit dickem Schnauzer – zitterte.
»Erkennen Sie sie, Captain?«
»Es tut mir schrecklich leid«, sagte Saggar zu dem Mädchen. »Was wir dir angetan haben, war schlimm.«
»Wie ich Ihnen bereits erläuterte, Captain, sie versteht Sie nicht.«
»B-b-bitte übersetzen Sie.«
Paul sprach mit dem Mädchen. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr. Paul sah Saggar an.
»Was hat si e gesagt?«
» Get maman ou – wörtlich: die Klitoris Ihrer Mutter. Im übertragene n Sinne: Fuck you .«
»Was … was haben Sie mit uns vor?«
Wieder zog Paul etwas aus seiner Brusttasche, etwas Kleines, er reichte es Saggar.
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