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Vor aller Augen

Titel: Vor aller Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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sahen so glücklich aus. Traurig. Es machte mir Angst. Unwillkürlich dachte ich an den gestrigen Abend, als ich mit Jannie auf unserer Veranda gesessen hatte.
    Â»Wurde eine dieser anderen entführten Frauen je gefunden?«, fragte jemand.
    Â»Nicht eine Einzige«, erwiderte Agent Zelras. »Wir befürchten,
dass sie tot sind. Dass die Entführer – oder die Käufer – die Frauen für Wegwerfgegenstände halten.«

20
    Nach der Mittagspause kehrte ich zu meinem Orientierungsunterricht zurück und kam gerade rechtzeitig für einen von Horowitz’ schrecklichen Witzen. Er hielt ein Klemmbrett hoch, damit wir sein Material sehen konnten. »Das ist die offizielle Liste von David Koreshs Liedern. ›You Light Up My Life‹, ›I’m Burning Up‹, ›Great Balls of Fire‹. Mein Lieblingssong: ›Burning Down the House‹. Ich liebe die Talking Heads.« Dr. Horowitz schien zu wissen, dass seine Witze schlecht waren, aber schwarzer Humor kam bei Polizisten gut an, und er brachte alles mit ausdrucksloser Miene vor. Außerdem wusste er, wer »Burning Down the House« aufgenommen hatte.
    Wir hatten eine Stunde Unterricht über »Management integrierter Fälle«, gefolgt von »Kommunikation im Polizeidienst« und danach »Dynamik bei Morden nach bestimmtem Muster«. Im letzten Kurs erklärte man uns, dass Serienmörder sich verändern, dass sie sich »dynamisch« verhalten. Mit anderen Worten: Sie werden klüger und töten raffinierter. Nur die »rituellen Charakteristika« bleiben die gleichen. Ich machte mir nicht die Mühe mitzuschreiben.
    Der nächste Kurs fand im Freien statt. Als »Praktikum« in der Hogans Alley. Wir trugen Sportjacken, aber mit gepolstertem Hals- und Gesichtsschutz. Bei dieser Übung verfolgten drei Autos ein viertes. Sirenen plärrten. Aus Lautsprechern
kamen die Kommandos: »Stop! Rechts ranfahren! Steigen Sie mit erhobenen Händen aus dem Wagen!« Unsere Munition bestand aus Patronen, deren Spitzen mit rosa Farbe getränkt waren.
    Es war fast fünf Uhr, als wir mit dieser Übung fertig waren. Ich duschte und zog mich um. Dann ging ich zu dem Gebäude, wo wir aßen. Dort hatte ich auch ein winziges Zimmer. Ich erblickte Nooney, der mich zu sich winkte. Was ist, wenn ich nicht zu ihm gehe?
    Â»Sind Sie auf dem Weg zurück nach Washington?«, fragte er.
    Ich nickte und biss mir auf die Zunge. »Ja, etwas später. Ich muss zuvor noch einige Berichte lesen. Die Entführung in Atlanta.«
    Â»Große Sache. Ich bin tief beeindruckt. Ihre Klassenkameraden verbringen die Nacht hier. Einige sind der Meinung, dass das hilft, Kameradschaft aufzubauen. Das denke ich auch. Wollen Sie hier neue Methoden einführen, Cross?«
    Ich schüttelte den Kopf und probierte es mit einem Lächeln. Es funktionierte nicht.
    Â»Man hat mir von Anfang an zugesagt, ich könne abends nach Hause fahren. Das ist für die meisten anderen nicht möglich.«
    Nooney ließ nicht locker. Er grub alte Geschichten aus.
    Â»Ich habe gehört, dass Sie in Washington auch mit Ihrem Chef ziemlichen Ärger hatten«, sagte er.
    Â»Alle hatten mit Chief Pittman Probleme«, erklärte ich.
    Nooneys Augen blitzten. Es war offensichtlich, dass er das nicht so sah. »Mit mir haben auch fast alle Probleme. Das heißt nicht, dass ich in Bezug auf die Wichtigkeit, hier ein Team aufzubauen, falsch liege. Ich liege ganz und gar nicht falsch, Cross.«
    Ich widerstand dem dringenden Bedürfnis, ihm meine
Meinung zu sagen. Nooney wollte mich fertig machen. Warum? Ich hatte alle seine Kurse besucht, wenn ich konnte.
    Ich musste noch an dem Fall »Weißes Mädchen« arbeiten.
    Ob ich es wollte oder nicht, ich war Teil dieses Falls. Und dieser war keine praktische Übung – er war real. Er war wichtig.
    Â»Ich muss an die Arbeit«, sagte ich schließlich. Dann ließ ich Nooney stehen und ging davon. Ich war ziemlich sicher, dass ich mir meinen ersten Feind beim FBI gemacht hatte. Und noch dazu einen wichtigen Mann. Wenn schon, denn schon!

21
    Vielleicht hatte die Konfrontation mit Gordon Nooney bei mir Schuldgefühle hervorgerufen und deshalb arbeitete ich noch lange in dem winzigen Zimmer, wo die Abteilung für Verhaltensforschung ihre Büros hatte. Die niedrige Decke, die trüben Leuchtstoffröhren und die Wände aus Ytongblöcken gaben

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