Vor aller Augen
Klagen, Partner. Weit entfernt davon. Du siehst aber auch recht glücklich aus.«
Ich musste lachen. »Das scheint dich zu überraschen.«
Sampson lachte ebenfalls. »Ich hab nie geglaubt, dass ich ein Mann für die Ehe wäre. Und jetzt will ich ständig nur mit Billie zusammen sein. Sie bringt mich zum Lachen und kapiert sogar die meisten meiner Witze. Wie läuftâs bei dir und Jamilla? Gehtâs ihr gut? Und wie ist denn nun der neue Job? Wie fühlt man sich so im FBI-Club?«
»Ich wollte Jam gerade anrufen«, erwiderte ich. Sampson hatte Jamilla kennen gelernt und mochte sie. Er kannte unsere Situation. Jamilla war ebenfalls beim Morddezernat, und ich war wirklich gern mit ihr zusammen. Unglücklicherweise lebte sie in San Francisco â und es gefiel ihr an der Westküste.
»Sie hat einen neuen Mordfall. In San Francisco bringen
sie auch Leute um. Bis jetzt ist das Leben beim FBI ganz gut.« Ich riss die zweite Bierdose auf. »Aber ich muss mich erst an die Bürokraten gewöhnen.«
»Ah ja.« Sampson grinste hinterhältig. »Bereits Risse in den Wänden? Die Bürokraten. Autoritätsprobleme? Und weshalb hast du eigentlich so spät noch gearbeitet? Bist du nicht mehr in der Orientierungsstufe oder wie sie das nennen?«
Ich erzählte Sampson von der Entführung Elizabeth Connollys â die Kurzfassung -, aber dann wandten wir uns angenehmeren Themen zu. Wir sprachen über Billie und Jamilla, die Verlockungen romantischer Liebe, den letzten Roman von George Pelecanos, über einen Kollegen, der etwas mit seiner Partnerin hatte, aber glaubte, niemand wisse davon. Aber wir alle wussten Bescheid. Es war wie immer, wenn ich mit Sampson zusammen war. Ich vermisste unsere gemeinsame Arbeit. Das führte mich zum nächsten Gedanken: Ich musste mir etwas einfallen lassen, um ihn zum FBI zu holen.
Der Hüne räusperte sich. »Da ist noch etwas, was ich dir erzählen wollte. Der wahre Grund, weshalb ich heute Abend rübergekommen bin.«
Ich zog eine Braue hoch. »Oh. Und was?«
Er mied meinen Blick. »Das fällt mir irgendwie schwer, Alex.«
Ich beugte mich vor. Jetzt hatte er meine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Dann lächelte Sampson und ich wusste, er würde mir etwas Gutes mitteilen.
»Billie ist schwanger«, erklärte er und lachte sein tiefes, kehliges Lachen. Dann sprang er auf und drückte mich halb tot. » Ich werde Vater !«
23
»Jetzt geht es wieder los, liebste Zoya«, flüsterte Slava konspirativ. »Du siehst übrigens hinreiÃend elegant aus. Perfekt für heute.«
Das Paar sah wie all die anderen Menschen aus, die in dem belebten Einkaufszentrum King of Prussia umherwanderten, dem »zweitgröÃten Amerikas«, wie die riesigen Reklametafeln an sämtlichen Eingängen verkündeten. Es gab einen guten Grund, weshalb dieses Einkaufszentrum so beliebt war. Aus den umliegenden Staaten kamen gierige Käufer her, weil es in Pennsylvania keine Steuer auf Kleidung gab.
»Diese Leute sehen alle so reich aus. Sie haben ihren Scheià zusammen«, sagte Slava. »Meinst du nicht auch? Kennst du diesen Ausdruck, den ich benutzt habe? Den Scheià zusammen zu haben? Das ist amerikanischer Slang.«
Zoya schnaubte verächtlich. »In ein oder zwei Stunden werden wir sehen, ob sie ihren Scheià zusammen haben. Nachdem wir unser Geschäft hier erledigt haben. Ihre Angst liegt knapp einen Zentimeter unter der Oberfläche. Wie bei allen anderen in diesem verrotteten Land. Sie haben vor dem eigenen Schatten Angst. Und besonders vor Schmerzen oder ein bisschen Unbequemlichkeit. Kannst du das nicht auf ihren Gesichtern sehen, Slava? Sie haben vor uns Angst. Nur wissen sie das noch nicht.«
Slava blickte sich im Zentrum der Plaza um, die von Nordstrom und Neiman Marcus dominiert wurde. Ãberall waren Plakate für die »Rock and Shop Tour« eines Teenagermagazins. Inzwischen hatte ihre Zielperson bei Neiman Marcus eine Schachtel Kekse für fünfzig Dollar gekauft. Erstaunlich! Danach kaufte sie etwas, das ebenso
absurd war, ein rot-weiÃ-blaues Tagebuch für einen Hund, das unglaublich teuer war.
Wie blöd die Leute doch sind! Führen Tagebuch für einen Hund! , dachte Slava. Dann sah er die Zielperson wieder. Sie kam mit ihren kleinen Kindern im Schlepptau aus dem Skechers heraus.
Einen Moment lang blickte die Zielperson
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