Vor aller Augen
Dartmouth College geachteter Assistenzprofessor für Englisch war Zielperson der FBI-Observierung in New Hampshire. Er war vor kurzem in einem Chatroom gewesen, der Tabu hieÃ, und hatte mit einer exklusiven Website angegeben, wo man alles kaufen könne, sofern man über genügend Geld verfüge.
Ein Agent hatte die eigenartige Konversation mit Mr. Potter heruntergeladen.
Freund: Wie viel ist denn genügend Geld, um »alles« zu kaufen?
Mr. Potter: Mehr als du hast, mein Freund. AuÃerdem gibt es einen Eyescan, um Gesindel wie dich auszusperren.
Das Paket: Wir fühlen uns geehrt , dass du heute Abend in unsere Niederungen herabgestiegen bist.
Mr. Potter: Der Wolfsbau ist nur etwa zwei Stunden pro Woche offen. Von euch ist natürlich keiner eingeladen.
Es stellte sich heraus, dass Mr. Potter der Name war, den Dr. Homer Taylor im Internet verwendete. Schuldig oder nicht, Dr. Taylor befand sich jetzt unter dem Mikroskop.
Vierundzwanzig Agenten in Zwei-Mann-Teams beobachteten in Acht-Stunden-Schichten jeden Schritt, den er in Hanover tat. Während der Woche lebte er in einem kleinen viktorianischen Haus in der Nähe des College, von dem aus er zu Fuà zu seinen Lehrveranstaltungen ging. Er war ein dünner, ordentlich wirkender Mann mit Halbglatze, der in England geschneiderte Anzüge, bunte Fliegen und absichtlich farblich abweichende Hosenträger trug und stets sehr selbstzufrieden aussah. Wir hörten von der Collegeleitung, dass er in diesem Semester Seminare über die Restauration, das Elisabethanische Drama und Shakespeare abhielt.
Dr. Taylors Seminare waren äuÃerst beliebt, ebenso wie er selbst. Er stand in dem Ruf, für alle Studenten da zu sein, sogar für jene, die nicht seine Seminare besuchten. Sein schneller Verstand und sein bösartiger Sinn für Humor waren ebenso berühmt wie berüchtigt. Oft gab es nur noch Stehplätze, wenn er unterrichtete. Das nannte er dann ein »volles Haus«. Er trug auch oft Szenen vor, in denen er sowohl die männlichen als auch die weiblichen Rollen spielte.
Man nahm an, dass er schwul sei, aber niemand wusste von einer festen Beziehung des Professors zu berichten. Ihm gehörte eine Farm, ungefähr fünfzig Meilen entfernt, in Webster, New Hampshire, wo er meistens das Wochenende verbrachte. Gelegentlich fuhr Taylor nach Boston oder New York, und er hatte auch mehrmals Europa besucht. Von irgendwelchen Zwischenfällen mit Studenten war nichts bekannt.
In der Collegeatmosphäre war die Beschattung Taylors schwierig. Bis jetzt gingen wir davon aus, dass unsere Agenten nicht entdeckt worden waren. Aber sicher waren wir keineswegs. Taylor verhielt sich bislang unauffällig. Er ging zum College und kehrte dann nach Hause zurück.
Am zweiten Tag in Hanover saà ich in einem Observierungswagen, einem dunkelblauen Crown Vic, zusammen mit einer Agentin, die Peggy Katz hieÃ. Katz war in Lexington, Massachusetts, aufgewachsen. Sie war eine ernsthafte Frau, deren Haupthobby das leidenschaftliche Interesse für Profi-Basketball zu sein schien. Sie konnte stundenlang über die NBA oder die WNBA reden, was sie auch während unserer gemeinsamen Observierung tat.
An diesem Abend hatten die Agenten Roger Nielsen, Charles Powiesnik und Michelle Bugliarello mit uns Dienst. Powiesnik war der Special Agent, der das Kommando führte. Ich war nicht sicher, wie ich hier hineinpasste, aber alle wussten, dass ich von Ron Burns höchstpersönlich hergeschickt worden war.
»Der gute Dr. Taylor kommt jetzt raus. Könnte interessant werden«, hörten Katz und ich später über Funk. Wir konnten sein Haus von dem Platz, wo wir parkten, nicht sehen.
»Er geht in eure Richtung. Ihr übernehmt ihn als Erste«, lautete die Anweisung von Special Agent Powiesnik.
Katz schaltete die Scheinwerfer ein und wir fuhren bis zur Ecke. Dann warteten wir darauf, dass Taylor uns überholte. Einen Moment später tauchte sein Toyota 4Runner auf.
»Er fährt in Richtung I-89«, meldete Katz. »Geschwindigkeit ungefähr fünfundvierzig, innerhalb der vorgeschriebenen Geschwindigkeit, was ihn für mich sofort verdächtig macht. Vielleicht will er zu seiner Farm in Webster.«
»Nielsen soll sich auf der I-89 vor ihn setzen. Ihr bleibt hinter ihm. Michelle und ich werden gleich bei euch sein«, sagte Powiesnik.
Das klang vertraut, offensichtlich auch für Agentin Katz, denn
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