Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vor aller Augen

Titel: Vor aller Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
Vom Netzwerk:
dieser Angelegenheit.
    Â»Ich tue es. Sie hat das süße kleine Baby im Stich gelassen und ist nach Seattle gezogen. Sie hätte nicht so weit weggehen müssen. Ihre Entscheidung. Und jetzt muss sie damit leben.«
    Ich warf einen kurzen Blick auf Nana. Ihre Züge waren hart. »Ich weiß nicht, ob man das heutzutage als einen aufgeklärten Standpunkt betrachtet.«
    Nana winkte ab. »Ich glaube nicht, dass die heutige Zeit so aufgeklärt ist. Du weißt, dass ich für die Rechte der Frauen eintrete. Mutterrechte und so weiter, aber ich glaube auch, dass man für seine Handlungen verantwortlich ist. Christine hat diesen süßen kleinen Jungen verlassen. Sie hat sich ihrer Verantwortung entzogen.«
    Â»Bist du fertig?«, fragte ich.
    Nana hatte die Arme vor der Brust verschränkt. »Bin ich. Und jetzt fühle ich mich besser, viel besser. Du solltest dir auch ab und zu mal Luft machen, Alex. Die Kontrolle aufgeben. Lass es raus.«
    Jetzt musste ich lachen. »Ich hatte das Radio während der Heimfahrt auf volle Lautstärke aufgedreht und ich habe
den halben Weg gebrüllt. Ich bin noch aufgebrachter als du, Nana.«
    Zum ersten Mal – ich kann mich nicht erinnern, es je erlebt zu haben – überließ sie mir das letzte Wort.

71
    Jamilla rief an diesem Abend gegen elf Uhr an – acht Uhr ihrer Zeit. Ich hatte seit ein paar Tagen nicht mit ihr gesprochen und – ehrlich gesagt – war jetzt kein besonders guter Zeitpunkt. Christines Besuch in Washington und das Treffen bei ihrer Anwältin hatten mich ziemlich durcheinander gebracht. Ich bemühte mich, es mir nicht anmerken zu lassen, aber das war auch falsch.
    Â»Du schreibst nie, du rufst nicht an«, sagte Jamilla und lachte auf ihre mitreißende Art. »Erzähl mir nur nicht, dass du schon mitten in einem Fall fürs FBI steckst. So ist es doch, oder?«
    Â»Ja, groß und hässlich. Ich bin dabei und dann wieder nicht«, antwortete ich. Dann erklärte ich ihr, was im Hoover Building geschah und was nicht , sprach über meine gemischten Gefühle, fürs FBI zu arbeiten – über alles, was im Augenblick in meinem Leben nicht wirklich wichtig war.
    Â»Du bist der Neue«, sagte sie. »Gib ihnen etwas Zeit.«
    Â»Ich bemühe mich, geduldig zu sein. Aber ich bin an so viel verschwendete Energie und verschwendete Ressourcen einfach nicht gewöhnt.«
    Ich hörte sie lachen. »Und außerdem warst du es gewohnt,
im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, richtig? Du warst ein Star, Alex.«
    Ich lächelte. »Du hast ja Recht, völlig Recht. Das ist wirklich Teil des Problems.«
    Â»Du hast das FBI von der anderen Seite des Zauns gesehen. Du hast gewusst , worauf du dich einlässt. Oder hast du es etwa nicht gewusst?«
    Â»Ja, ich nehme an, ich hätte es wissen müssen. Aber ich habe mir eine Menge Versprechen angehört, als ich unterschrieb.«
    Jamilla seufzte. »Ich weiß, ich bin nicht besonders mitfühlend. Einer meiner Fehler.«
    Â»Nein, es liegt an mir.«
    Â»Ja, allerdings.« Sie lachte erneut. »Ich habe dich noch nie so deprimiert und am Boden zerstört erlebt. Mal sehen, was wir tun können, um dich wieder aufzurichten.«
    Wir sprachen über den Fall, an dem sie gerade arbeitete. Dann erkundigte sich Jamilla nach jedem einzelnen Kind. Sie war wie immer sehr interessiert. Aber ich war in düsterer Stimmung, die ich einfach nicht abschütteln konnte. Ich fragte mich, ob sie es merkte. Dann erhielt ich die Antwort.
    Â»Nun, ich wollte nur hören, wie es dir geht«, sagte Jam. »Ruf an, wenn es Neuigkeiten gibt. Ich bin immer für dich da, Alex. Du fehlst mir.«
    Â»Du fehlst mir auch«, versicherte ich ihr.
    Mit einem leisen »Bis dann« beendete Jamilla das Telefonat.
    Ich saß da und schüttelte den Kopf. Scheiße! Was war ich doch manchmal für ein Esel! Ich gab Jamilla die Schuld für das, was mit Christine passiert war. Wie dämlich von mir.

72
    Â»Hallo, ich vermisse dich«, sagte ich und lächelte. »Und es tut mir Leid.«
    Fünf Minuten, nachdem Jamilla aufgelegt hatte, rief ich sie zurück, um den Schaden wieder gutzumachen.
    Â»Es sollte dir auch Leid tun, du dummer Kerl. Ich bin aber froh, dass deine berühmten Antennen noch funktionieren«, sagte sie.
    Â»Das war nicht allzu schwierig. Der entscheidende Beweis war direkt vor meinen Augen.

Weitere Kostenlose Bücher