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Vor dem Fest

Vor dem Fest

Titel: Vor dem Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saša Stanišic
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den Mittelfinger. Lada brennt das Geschriebene mit dem Gerät nach. Suzi liest, was da steht, freut sich. Wenn Suzi sich freut, sieht das grandios aus, die imponierend schwarzen Suzi-Augen leuchten, der Drache räkelt sich zufrieden.
    Die Brennspur ist schwarzbraun im hellen Holz.
    Ladas Unterarmmuskulatur.
    Ladas zahlreiche Talente. Könnte mal ein Eddie aus ihm werden.
    Ladas Worte, die sich Lada ausgedacht hat.

UND HERR SCHRAMM, ehemaliger Oberstleutnant der NVA , dann Förster, jetzt Rentner und, weil es nicht reicht, schwarz bei Von Blankenburg Landmaschinen , fährt den Feldhäcksler Mammut 6800 durch das mehrheitlich schlafende Dorf, und er fährt siebzig, und der Feldhäcksler Mammut 6800 ist nicht das leiseste Gerät. Der Feldhäcksler Mammut 6800 hat 350 PS und die, findet Herr Schramm, sind vollkommen ausreichend, um alle Fragen zu beantworten, die einem Feldhäcksler im Laufe seines Lebens gestellt werden.
    Der Feldhäckslerist die Lieblingslandmaschine von Herrn Schramm. Bei Von Blankenburg war er von der ersten Minute an für ihn, das kann man schon so sagen: zuständig. Schramm war es, der den Häcksler von seinem Vorbesitzer abgeholt hat, und die Reise war eben auch eine besondere. Von Schwerin nach Fürstenfelde, immer schön Landstraße, an einem lauen oder was Frühlingsnachmittag, Raps, Insektenerwachen, und Herr Schramm oben in der Kabine, die Kippenschachtel fast voll, vielleicht ein Bierchen, höchstens zwei. Herr Schramm trinkt nicht, wenn er fährt.
    Schön Landstraße, schön fünfzig, im Grunde schafft der Mammut auch bequem neunzig, aber so schnell unterwegs zu sein an einem so schönen Frühlingstag tat nicht not und wäre bloß gewonnene Zeit gewesen.
    Herr Schramm ist ein Mann mit Haltung und Haltungsschaden. Herr Schramm hatte an jenem Tag im Frühling eine Zuständigkeit und eine Bestimmung und dazu ein Talent für das Lenken von breiten Fahrzeugen, welches er während der Dienstzeit in Wegnitz oft genug beweisen durfte und wollte, wenn die Jungspunde vom Kfz-Dienst meinten, der Schweinesil passe niemals in die Lücke. Oberstleutnant Schramm hat sich reingesetzt, und der Schweinesil hat so was von reingepasst, auch mal nach einem ereignisreichen Tanzabend im Kasernenobjekt.
    Herr Schramm hat geraucht und auf die Rapsfelder geguckt und hinter den Rapsfeldern auf die Windräder. Wilfried Schramm machen Windräder wütend. Und zwar nicht aus Gründen der Ästhetik wie manchen anderen, Gründe der Ästhetik sind gar keine Gründe. Sondern weil die Rotorblätter Fledermäuse töten. Eine Viertelmillion jedes Jahr. Zwölf Tiere je Anlage.
    Die Wut war von kurzer Dauer. Herr Schramm hatte Zigaretten und drei Meter Breite, Herr Schramm gab Blinkzeichen, wenn die Straße frei zum Überholen war.
    Baujahr 1994. Allradantrieb. Klima. Kemper Maisgebiss. Herr Schramm hat mitgeholfen, den Mammut auf Vordermann zu bringen. Was heißt, mitgeholfen – initiiert, delegiert, selbst Hand angelegt hat er. Die Elektrik von der Reversier- und der Schleifeinrichtung überholt.Die spröde Lackierung vorsichtig neu überzogen, himmelblau. Ein Radio eingebaut. Aber gegen viertausend Betriebsstunden auf dem Buckel kannst du nichts machen. Es gab neuere, und es gab bessere, ausgeklügeltere Modelle als diesen Mammut 6800 . Ein Käufer fand sich nicht, auch nicht nachdem der Preis runtergesetzt worden war.
    Herr Schramm ist ein loyaler, aber kein anhänglicher Mann. Was man hat, hat man, was man nicht haben kann, kann man nicht haben. Aber als er vorgestern erfahren hat, dass da jetzt doch ein Käufer ist, dem am Montag ausgerechnet er den Mammut nach Neubrandenburg liefern soll, da kann man jetzt nicht sagen, dass Herr Schramm einen Salto gemacht hat, das nicht, einen Salto nicht.
    Herr Schramm sitzt in der himmelblauen Kabine seines Mammut 6800 und denkt sich, was soll das, warum denke ich mein Mammut . Der Mammut rattert und blökt durch die Straßen am Ende der Nacht. Anna sitzt neben dem großen Mann und wackelt wie Weihnachtsbaumschmuck.
    Herr Schramm ist ein kritischer Mann. Er hat Einwände gegen die Zugänglichkeit von solchen Dingen wie Waffen, Pornografie, politischen Parteien und Zigarettenautomaten. Herrn Schramm fällt Martina (19, Tschechien) ein. Maniküre! So heißt das. Martina hatte gut bemalte Fingernägel.
    Herr Schramm bringt den Mammut mit einem gekonnten Wendemanöver neben dem Zigarettenautomaten zum Halt. Der Mammut und Anna atmen auf. Anna fragt, was wird das jetzt, und ahnt, was das

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