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Vor dem Fest

Vor dem Fest

Titel: Vor dem Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Saša Stanišic
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den Kopf und verdreht die Augen. Bedeutet Lada, auf seinen Mund zu achten, formt die Worte mit den Lippen und wiederholt die Gebärden.
    »Dort Mann dieser mir fremd etwas mir sagen.«
    »Der Typ hat was gesagt?«
    Suzi nickt.
    Suzi geht in die Hocke und berührt die Straße. Sie sind an Eddies Werkstatt angekommen.
    »Straße?«
    Suzi schüttelt den Kopf.
    »Boden? Was, Mann, Suzi?! Asphalt?«
    Suzi nickt. Asphalt. Er zeigt »was« mit offenem Mund und Händen, die Finger abgespreizt, und »unter«.
    »Was liegt unter dem Asphalt?«
    Suzi nickt.

UND IN EINEM STEINKISTENGRAB FAND MAN EIN FLINTBEIL.
    Und in einem Hügelgrab fand man eine Art Pinzette mit breiten, verzierten Wangen, vermutlich zum Zupfen vom Barthaar, also nimmt man an, dass der Tote einen gepflegten Bart besaß.
    Und in einem slawischen Grab fand man eine Meerschaumspinnwirtel und im Mund der Toten eine Münze, dem Fährmann zum Lohn, der sie ins Jenseits bringen würde.
    Und in einem anderen Grab, mit einem toten Kind, einen Hammer und eine Warzenklapper. Der Hammerkopf steckte in der Warzenklapper. Wenn du eine Warzenklapper schüttelst, rasselt die.
    Und als die Promenade 2004 unterspült wurde, fand man das Grab eines Kriegers, den man mit einem Wetzstein und einer Nackenkammaxt gerüstet hatte, damit er seinen Feinden in alle Ewigkeit mit scharfer Klinge begegne.
    Und im Jahre 1739 wurde ein Edikt wider die Zigeuner, Landstreicher und andere vagirende fremde Bettler erlassen, welches den Adel erregte, da jedem tausend Taler Strafe drohten, der ihnen wissentlich einen Aufenthalt verstattet . Auch die Dorfgemeinden waren angehalten, fahrendes Volk dingfest zu machen. Einmal kam eine größere Zigeunerrotte nach Fürstenfelde. Die Männer gaben sich als Roßtauscher oder Musikanten aus, die Frauen als Wahrsagerinnen , die uns die Zukunft deuten wollten . Ihre Kinder waren schnell. Ihre Werkzeuge waren die Peitsche und der Christall. Der Zigeunergalgen von Fürstenfelde stand auf einem brachen Wiesengrunde.
    Und Maria Wegener protestierte einst gegen den Ausschluss aus der hiesigen Gilde der Tischler und Zimmerleute. Sie hatte nicht nachweisen können, dass sie von allen vier Ahnen echt und recht geboren und damit würdig, Werk und Gilde zu besitzen. Die Wegener war Schnitkerin . Sie hatte Schnitzereien an der Tür von unserer Kirche angebracht, die aber in den Flammen vernichtet wurden, sodass niemand weiß, ob sie gut ausgesehen hatten. Graf Poppo von Blankenburg ließ sich von der Wegener einen Löffel aus Eibenholz schnitzen. Schön, ein edler Löffel mit breiter Laffe und elegant geschwungenem Stiel, in Silber gefasst. Eibe ist ein bisschen giftig, aber es ist wohl niemand daran gestorben, dazu hätte man den Löffel schon mitessen müssen. Ein hochwertiger Löffel wie dieser wurde im Todesfall weitervererbt, daher auch der Ausdruck »den Löffel abgeben«. Von Blankenburg, unser Landmaschinenmogul,bewahrt den ererbten Löffel in seinem Schlösschen in einer Vitrine auf. Magdalene isst damit manchmal Müsli.
    Das Lieblingswerkzeug von Maria Wegener war ein Schnitzer mit Buxbaumen geschnitztem Heffte und beinern Zwinge .
    Und in einer Abfallgrube waren Scherben germanischen und slawischen Ursprungs in derselben Erdschicht, darunter Bruchstücke eines Kamms aus Geweih.
    Und bei Baggerarbeiten an der Grundschule stieß man unter dem Asphalt auf einen unterirdischen Gang.
    Und in einem Grab ruhte eine etwa fünfzigjährige Frau, zwei Schläfenringe einer spätslawischen Tracht als Beilagen. Kopf und Füße waren mit Steinen beschwert, wohl um die Wiederkehr der Toten zu verhindern. Den Grund hierfür machte die anthropologische Untersuchung offenbar. Ihr Schädel wies Knochenwucherungen auf, entstanden durch gutartige Tumore. Über dem linken Auge trug die Steinerneein sechs Zentimeter langes Horn. Es ist anzunehmen, dass ihre Nächsten sich vor ihr gefürchtet hatten.
    Fürstenfelde ist eingetragenes Bodendenkmal.

BEI UNS WIRD VIEL ENTRÜMPELT. Lada übernimmt das, er hat fünf freie Mitarbeiter. Wenn Suzi nicht zu Gölow muss, hilft er aus. Die beiden sind ein gutes Team. Lada hört nicht zu, bei Suzi ist kein Wort zu viel. Am Montag ist Anna dran, jetzt der Tischler. Eddie. Eddie ist seit Januar dran, aber Lada wollte das nicht zeitnah erledigen, weil wenn es um unseren Tischler geht, der dem halben Dorf die Schlafstube ausgekleidet hat, dann kommst du als Dorf nicht gleich und entkleidest seine Schlafstube, auch dann nicht, wenn die Töchter

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