Vor dem Frost
nachdem sie sich vor dem Krankenhaus getrennt hatten. Stefan Lindman nahm ein Taxi, um den roten Golf zu holen. Linda kauerte auf dem Rücksitz. Sie sah, daß ihr Vater dann und wann im Rückspiegel einen Blick auf sie warf. Gerade als sie einen der Türme passiert hatten, begann der Wagen zu rütteln. Wallander fluchte und bremste.
»Bleib sitzen«, sagte er und stieg aus. Er ging um den Wagen herum und blieb vor dem rechten Hinterrad stehen.
Er öffnete ihre Tür. »Du steigst besser doch aus. Es ist, als sollte ich diese Nacht überhaupt keinen Schlaf mehr kriegen.«
Linda blickte auf den platten Reifen und verspürte ein unklares Gefühl von Schuld. »Ich kann nichts dafür«, sagte sie.
Ihr Vater gab ihr ein Warndreieck, das sie aufstellte.
Der nächtliche Verkehr über die Brücke war gering. Linda stand da und sah zum klaren Nachthimmel auf. Ihr Vater ächzte und fluchte, während er mit dem Rad hantierte. Aber schließlich war er fertig. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und nahm eine halbleere Wasserflasche aus dem Kofferraum.
Er trat neben sie und blickte über den Sund. »Wenn ich nicht so kaputt wäre, wäre es bestimmt ein großes Erlebnis, mitten in der Nacht hier zu stehen«, sagte er. »Aber ich brauche Schlaf.«
»Wir werden es nicht mehr diskutieren«, gab Linda zurück. »Zumindest nicht heute nacht. Aber ich will, daß du weißt, daß es kein Drogensüchtiger war, der mich niedergeschlagen hat. Zumindest versuchte er nicht, mich zu berauben, solange ich bei Bewußtsein war. Aber er drohte mir. Er sagte, ich sollte nicht weiter nach einem Mann namens Torgeir Langaas suchen. Ich möchte nur, daß du das weißt. Und daß ich glaube, daß es eine Verbindung gibt zwischen diesem Mann und Anna. Ich bin nach Kopenhagen gefahren, weil ich mir Sorgen gemacht habe. Und jetzt mache ich mir noch mehr Sorgen als heute morgen, als ich in die entgegengesetzte Richtung fuhr.«
»Wir fahren jetzt nach Hause«, sagte ihr Vater. »Ich höre, was du sagst, und ich finde es sonderbar. Aber Tatsache ist, daß ein Mann auf frischer Tat ertappt wurde. Und sein Geständnis war glaubwürdig.«
Unter Schweigen fuhren sie nach Ystad zurück. Es war fast halb fünf, als sie zu Hause ankamen. Der Schlüssel des Golfs lag auf dem Fußboden unter dem Briefschlitz.
»Hast du gemerkt, daß er auf der Brücke an uns vorbeigefahren ist?« fragte Linda.
»Vielleicht hatte er keine Lust, beim Reifenwechseln mit anzufassen.«
»Ist die Haustür nachts nicht verschlossen?«
»Das Schloß sitzt locker. Aber jetzt hast du deinen Wagen wieder.«
»Es ist nicht mein Wagen. Es ist Annas.«
Sie folgte ihm, als er in die Küche ging und ein Bier aus dem Kühlschrank holte. »Wie kommt ihr voran?«
»Keine Fragen mehr jetzt«, sagte er. »Ich bin zu müde. Ich muß schlafen. Und du auch.«
Sie erwachte davon, daß es an der Tür klingelte. Schlaftrunken setzte sie sich auf und sah auf den Wecker. Viertel nach elf. Sie stand auf und zog den Bademantel über. Ihr Kopf war noch sehr empfindlich, doch der pochende Schmerz hatte nachgelassen. Sie öffnete die Wohnungstür einen Spalt.
Draußen stand Stefan Lindman. »Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe.«
Sie ließ ihn herein. »Warte im Wohnzimmer«, sagte sie. »Ich komme gleich.«
Sie lief ins Badezimmer, wusch sich das Gesicht, putzte die Zähne und kämmte sich.
Als sie wieder herauskam, stand er vor der offenen Balkontür. »Wie geht es dir heute?«
»Gut. Möchtest du Kaffee?«
»Ich habe keine Zeit. Ich will nur von einem Telefongespräch erzählen, das ich vor einer Stunde geführt habe.«
Linda verstand. Er hatte also geglaubt, was sie in der Nacht im Krankenhaus erzählt hatte.
»Und was haben sie gesagt?«
»Es dauerte ein bißchen, bis ich den richtigen Kollegen an der Strippe hatte. Ich habe jemanden geweckt, der Ole Hedtoft hieß und letzte Nacht Dienst hatte. Er war einer von denen, die dich gefunden haben. Und die den Typ festgenommen haben, der dich überfallen hat.«
Er holte ein gefaltetes Stück Papier aus seiner Lederjacke und sah sie an. »Gib mir noch einmal die Personenbeschreibung von Ulrik Larsen.«
»Ob er Ulrik Larsen heißt, weiß ich nicht. Aber der Mann, der mir gedroht und mich niedergeschlagen hat, war einsachtzig groß, mager, hatte einen schwarzen oder blauen Kapuzenpulli und trug eine dunkle Hose und braune Schuhe.«
Stefan Lindman nickte und strich sich nachdenklich mit Daumen und Zeigefinger über die Nase.
»Ole
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