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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Polizistin, die mitten auf der Straße steht und bereit sein muß, einzugreifen und wütende Menschen auseinanderzureißen. Ich weiß, was dir bevorsteht.«
    »Ich habe keine Angst.«
    »Ich rede nicht von Angst. Ich rede davon, daß die Uniform von dem Tag an, an dem du sie anziehst, immer da ist.«
    Sie ahnte, daß er recht hatte. »Was glaubst du, wie es geht?«
    »An der Schule ging es gut. Hier geht es gut. Du selbst bestimmst, ob es gutgeht oder nicht.«
    Sie wanderten am Strand entlang. Sie erzählte, daß sie in ein paar Tagen nach Stockholm fahren würde. Ihr Jahrgang wollte sich zu einem Abschiedsball treffen, bevor sie endgültig in die verschiedenen Polizeibezirke im ganzen Land verstreut wurden.
    »Wir hatten keinen Ball«, sagte er. »Ich hatte so gut wie keine Ausbildung, als ich damals anfing. Ich frage mich noch immer, wie diejenigen, die damals zur Polizei wollten, auf ihre Eignung getestet wurden. Die rohe Kraft, glaube ich. Und allzu dumm durfte man nicht sein. Aber ich weiß noch, daß ich ein Bier trank, als ich meine Uniform bekommen hatte. Nicht auf der Straße natürlich, sondern bei einem Kameraden in der Södra Förstadsgata in Malmö.«
    Er schüttelte den Kopf. Linda konnte nicht sagen, ob die Erinnerung ihn amüsierte oder quälte.
    »Ich wohnte noch zu Hause. Ich glaubte, mein Vater würde verrückt, als ich mit der Uniform nach Hause kam.«
    »Warum fand er es so schrecklich, daß du Polizist wurdest?«
    »Er hat mich zum Narren gehalten. Ich habe das erst begriffen, als er tot war.«
    Linda blieb wie angewurzelt stehen. »Dich zum Narren gehalten?«
    Er sah sie an und lächelte. »Eigentlich fand er es ganz gut, daß ich Polizist wurde. Aber statt das zuzugeben, machte er sich einen Jux daraus, mich im Ungewissen darüber zu lassen. Und das schaffte er ja auch, wie du weißt.«
    »Ist das wirklich wahr?«
    »Niemand kannte meinen Vater besser als ich. Ich weiß, daß ich recht habe. Der Alte war ein Schurke. Ein wunderbar schurkiger Vater. Der einzige, den ich hatte.«
    Sie gingen zum Wagen zurück. Die Wolkendecke war aufgerissen. Als die Sonne durchbrach, wurde es sofort wärmer. Die beiden kartenspielenden Deutschen schauten nicht auf, als sie vorbeigingen.
    Als sie zum Wagen kamen, sah er auf die Uhr. »Hast du es eilig, nach Hause zu kommen?« fragte er.
    »Ich kann es nicht erwarten, endlich mit der Arbeit anzufangen. Das ist alles. Warum fragst du, ob ich es eilig habe? Ich bin ungeduldig.«
    »Ich muß noch einer Sache nachgehen. Ich erzähle dir im Wagen davon.«
    Sie nahmen die Straße nach Trelleborg und bogen bei der Abfahrt zum Schloß Charlottenlund ab.
    »Eigentlich ist es keine richtige Ermittlung«, sagte er. »Aber da ich schon mal in der Nähe bin, kann ich ja vorbeifahren.«
    »Wo vorbeifahren?«
    »Am Schloß Marebo. Oder genauer gesagt am See bei Schloß Marebo.«
    Die Straße war schmal und kurvenreich. Er erzählte genauso langsam und ruckhaft, wie er fuhr. Linda fragte sich, ob seine geschriebenen Berichte ähnlich schlecht waren wie die mündliche Darstellung, die er ihr gerade gab.
    Das Ganze war trotzdem sehr einfach. Vorgestern abend war bei der Polizei in Ystad ein Anruf eingegangen. Ein Mann, der weder seinen Namen nennen noch sagen wollte, von wo er anrief, und der mit einem undeutlichen Dialekt sprach, sagte, daß über dem Marebosee brennende Schwäne zu sehen gewesen seien. Eine ausführlichere Aussage hatte er nicht machen können oder nicht machen wollen. Als der Wachhabende ihm Fragen stellen wollte, hatte er aufgelegt. Er hatte sich nicht wieder gemeldet. Der Anruf wurde zu Protokoll genommen, ohne daß eine Maßnahme veranlaßt wurde, weil gerade dieser Abend ungewöhnlich turbulent war mit einer schweren Körperverletzung in Svarte und zwei Einbrüchen in Geschäfte im Zentrum von Ystad. Man kam zu der Einschätzung, daß es sich um eine optische Täuschung handelte oder daß der Anruf nichts weiter war als grober Unfug. Nur er selbst, als Martinsson ihm von dem Ganzen erzählte, dachte sogleich, daß es unwahrscheinlich genug klang, um wirklich wahr zu sein.
    »Brennende Schwäne? Wer tut denn so was?«
    »Ein Sadist. Ein Tierquäler.«
    »Glaubst du denn, daß es stimmt?«
    Er hatte an der Hauptstraße angehalten. Erst nachdem er sie überquert hatte und nach Marebo abgebogen war, antwortete er. »Hast du das nicht auf der Schule gelernt? Daß Polizisten nicht soviel
glauben.
Sie wollen wissen. Gleichzeitig sind sie darauf gefaßt, daß

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