Vor dem Frost
Polizeipräsidium von Ystad anfangen. Sie hatte die Ausbildung in Stockholm abgeschlossen und hätte am liebsten sofort angefangen zu arbeiten. Jetzt war sie den Sommer über untätig, und ihr Vater konnte ihr keine Gesellschaft leisten, weil er den größten Teil seines Urlaubs schon im Mai genommen hatte. Er glaubte, er hätte ein Haus gekauft, und wollte seinen Urlaub benutzen, um im Mai umzuziehen. Er hatte auch ein Haus gekauft, in Svarte, südlich der Landstraße, direkt am Meer. Aber im letzten Augenblick, als die Anzahlung schon geleistet war, war die Besitzerin, eine ältere, alleinstehende pensionierte Lehrerin, plötzlich in Panik geraten bei dem Gedanken, ihre Rosenbüsche und ihren Rhododendron einem Mann zu überlassen, der sich überhaupt nicht dafür zu interessieren schien, einem Mann, der ausschließlich davon redete, wo er die Hundehütte bauen würde, in der der Hund, den er vielleicht kaufen wollte, eines Tages leben sollte. Sie machte einen Rückzieher, der Makler schlug ihrem Vater vor, auf der Erfüllung des Kaufvertrags zu bestehen oder zumindest Schadenersatz zu verlangen, doch in Gedanken hatte Wallander das Haus, in das er nie eingezogen war, bereits abgeschrieben.
Den Rest seines Urlaubsmonats, in dem es kalt und windig war, verbrachte er mit der Suche nach einem anderen Haus. Aber entweder waren sie zu teuer, oder es war nicht das, wovon er all die Jahre in der Mariagata in Ystad geträumt hatte. Deshalb behielt er seine Wohnung und begann sich ernsthaft zu fragen, ob er jemals von dort wegkommen würde.
Linda stand kurz vor dem Abschluß ihres letzten Semesters an der Polizeihochschule, und er fuhr an einem Wochenende hinauf und packte seinen Wagen voll mit einem Teil der Sachen, die sie mit nach Hause nehmen wollte. Im September sollte sie eine Wohnung bekommen, bis dahin würde sie in ihrem alten Zimmer wohnen.
Sie gingen sich sofort auf die Nerven. Linda war ungeduldig und meinte, daß ihr Vater an ein paar Fäden ziehen sollte, damit sie ihren Dienst früher antreten könnte. Er redete auch bei einer Gelegenheit mit seiner Chefin Lisa Holgersson, doch sie konnte nichts machen. Die neuen Polizeianwärter wurden zwar gebraucht, weil das Präsidium stark unterbesetzt war, aber es fehlte das Geld für die Gehälter. Linda konnte ihren Dienst nicht vor dem 10. September antreten, so dringend sie auch gebraucht wurde.
Im Laufe des Sommers frischte Linda zwei alte Freundschaften wieder auf, die seit ihren Teenagerjahren geschlummert hatten. Zufällig traf sie eines Tages auf dem Marktplatz Zeba, oder »Zebra«, wie alle sie nannten. Linda erkannte sie zuerst nicht. Sie hatte ihr schwarzes Haar rot gefärbt und kurz geschnitten. Zeba stammte aus dem Iran und war bis zur Neunten, als ihre Wege sich trennten, in Lindas Klasse gegangen. An diesem Julitag, als sie sich über den Weg liefen, schob Zebra einen Kinderwagen, und sie gingen in eine Konditorei und tranken Kaffee.
Zebra hatte sich zur Barkeeperin ausbilden lassen, hatte aber dann mit Marcus, den Linda auch kannte, ein Kind bekommen, Marcus, der exotische Früchte liebte und schon mit neunzehn Jahren an der östlichen Ausfahrt von Ystad seine eigene Pflanzenschule aufgemacht hatte. Ihr Verhältnis war auseinandergegangen, aber der Junge war da. Sie unterhielten sich lange, bis der Junge anfing, so schrill und nachdrücklich zu schreien, daß sie auf die Straße flohen. Aber nach diesem zufälligen Treffen blieben sie in Kontakt, und Linda bemerkte, daß ihre Ungeduld abnahm, wenn es ihr gelang, Brücken zurück in die Zeit zu schlagen, als sie noch nichts anderes von der Welt wußte als das, was der Horizont von Ystad ihr erlaubte.
Auf dem Heimweg in die Mariagata nach dem Treffen mit Zebra fing es plötzlich an zu regnen. Sie suchte Schutz in einem Bekleidungsgeschäft in der Fußgängerzone, und während sie darauf wartete, daß der Regen aufhörte, schlug sie im Telefonbuch Anna Westins Nummer nach. Ihr Herz machte einen Satz, als sie sie fand. Anna und sie hatten fast zehn Jahre lang keinen Kontakt gehabt. Die intensive Freundschaft, die sie während ihres Aufwachsens verbunden hatte, war plötzlich und brutal zu Ende gegangen, als sie sich mit siebzehn in denselben Jungen verliebten. Als dann die Verliebtheit bei beiden vorüber und vergessen war, hatten sie versucht, ihre frühere Freundschaft wiederzubeleben. Doch etwas war dazwischengekommen, und schließlich hatten sie es aufgegeben. In den letzten Jahren hatte Linda nur
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