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Vor dem Frost

Vor dem Frost

Titel: Vor dem Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Jahre alt.«
    »Wie ist seine Adresse in Norwegen?«
    »Es gibt keine. Er wohnt in Kopenhagen.«
    Ture Magnusson legte Linda die Mappe hin, damit sie selbst lesen konnte.
Nedergade 12.
    »Wie war er denn?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Glauben Sie, daß es einen Sinn hat, wenn ich nach Kopenhagen fahre?«
    Ture Magnusson lehnte sich wieder an die Wand zurück. »Ich versuche immer, mich auf Menschen zu verstehen«, sagte er. »Das ist fast eine Voraussetzung für die Arbeit hier. Als erstes muß man lernen, all die auszusortieren, die nie ein Haus kaufen werden, obwohl sie ihre ganze Zeit damit verbringen, Makler zu nerven und Besichtigungen zu vereinbaren. Torgeir Langaas war ein Mann, der ein Geschäft abschließen wollte, das war mir sofort klar, als er durch diese Tür kam. Sehr freundlich. Er hatte sich das Haus ausgesucht. Wir fuhren hin, er ging herum, stellte keine Fragen. Dann fuhren wir hierher zurück. Er zog Bündel mit Geldscheinen aus einer Schultertasche. Das ist recht ungewöhnlich. Ich hatte es vorher nur zweimal erlebt. Einer unserer jungen reichen Tennisspieler, der mit einem Koffer voll Hunderter ankam und einen Riesenhof in Västra Vemmenhög kaufte. Soweit ich weiß, ist er nie dagewesen. Dann eine ältere und sehr exzentrische Witwe eines reichen Gummistiefels, sie hatte einen Diener bei sich. Der bezahlte. Es war ein kleines häßliches Haus an der Straße nach Rydsgärd, auf dem vor vielen Jahren anscheinend ein Verwandter von ihr gelebt hatte.«
    »Was meinen Sie mit Witwe eines Gummistiefels?«
    »Der Mann hatte eine Stiefelfabrik in Höganäs. Aber gegen Dunkers in Helsingborg kam er natürlich nicht an.«
    Linda hatte keine Ahnung, wer Dunker in Helsingborg war. Sie schrieb die Adresse in Kopenhagen auf und machte Anstalten zu gehen. Ture Magnusson hob die Hand und hielt sie zurück.
    »Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir ein, daß da noch etwas war, etwas, was mir auffiel, was ich mir aber sozusagen nicht gemerkt habe, weil das Geschäft so schnell abgewickelt war.«
    »Und was war das?«
    Ture Magnusson schüttelte langsam den Kopf. »Nicht leicht zu sagen. Ich fand, daß er sich oft umdrehte. Als sei er beunruhigt, daß jemand auftauchen könnte, dem er am liebsten nicht begegnete. Außerdem ging er mehrfach zur Toilette, während wir hier saßen. Ich erinnere mich noch, daß seine Augen glänzten, als er das letztemal zurückkam.«
    »Hatte er geweint?«
    »Nein. Er stand unter dem Einfluß von irgendwas.«
    »Hatte er getrunken?«
    »Er roch nicht. Aber er kann natürlich Wodka getrunken haben.«
    Linda überlegte, was sie noch fragen konnte.
    »Vor allem war er freundlich«, unterbrach Ture Magnusson ihre Gedanken. »Vielleicht verkauft er Ihnen das Haus. Wer weiß?«
    »Wie sah er denn aus?«
    »Ziemlich normales Gesicht. Woran ich mich erinnere, sind seine Augen. Nicht nur, weil sie glänzten. Sie hatten etwas Stechendes. Ich könnte mir vorstellen, daß es Menschen gibt, die sagen würden, daß seine Augen bedrohlich waren.«
    »Aber er war nicht bedrohlich?«
    »Er war sehr freundlich. Ein idealer Kunde. Ich kaufte an dem Abend, nachdem das Geschäft abgeschlossen war, eine gute Flasche Wein. Um zu feiern, daß es ein guter Tag gewesen war, mit einem guten Resultat bei geringer Anstrengung.«
    Linda verließ das Maklerbüro. Ein Schritt weiter, dachte sie. Ich werde nach Kopenhagen fahren und Torgeir Langaas aufsuchen. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht als eine Beschwörung? Daß an Annas Abwesenheit nichts Sonderbares ist. Sie ist nicht verschwunden, sie ist nur nicht da, und sie hat vergessen, mir davon zu erzählen. Alles, was im Moment geschieht, dreht sich ja nur darum, daß ich an allen meinen inneren Wänden hochlaufe, aus schierer Ungeduld, endlich anfangen können zu arbeiten.
    Sie fuhr nach Malmö. Kurz vor der Abfahrt nach Jägersro und zur Öresundbrücke beschloß sie, einen kurzen Aufenthalt in Malmö einzulegen. Sie suchte den Weg zu dem Haus, das in Limhamn lag, parkte den Wagen und ging durchs Gartentor. In der Auffahrt stand ein Wagen. Sie nahm an, daß jemand zu Hause war. Gerade als sie klingeln wollte, zog sie die Hand zurück. Warum, wußte sie nicht. Sie ging ums Haus herum, öffnete die Tür zum Innenhof und ging zur verglasten Veranda. Der Garten war gepflegt, der Kiesweg in geraden Linien geharkt. Die Verandatür war angelehnt. Sie öffnete und lauschte. Es war still. Aber jemand war zu Hause. Sonst wäre die Tür geschlossen gewesen.

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