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Vor dem Regen - Roman

Vor dem Regen - Roman

Titel: Vor dem Regen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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auf. »Ich gehe zur Toilette.«
    Kaum war sie im Foyer und den Blicken der Essensgäste entzogen, rannte sie durch die geöffnete Tür ins Freie.

19
    »Alles okay, Lady?«, erkundigte sich der Taxifahrer, als Dusty auf der Rückbank Platz nahm.
    Er war Asiate, Mitte zwanzig, die langen Haare zum Pferdeschwanz gebunden. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, aber Dusty konnte ihn nicht recht einordnen. Nun ja, Darwin war keine große Stadt, und die Gesetze der Physik sorgten dafür, dass die einzelnen Partikel sich in steter Bewegung befanden, miteinander kollidierten und man permanent auf irgendjemanden stieß, den man von irgendwoher kannte.

    »Es ist nichts«, behauptete Dusty und tupfte sich die Augen mit einem Taschentuch. »Ich habe ein Insekt ins Auge bekommen.«
    Durch das Fenster sah sie, wie Julien drinnen auf Bleichgesichtchen einredete und sich wohl erkundigte, ob sie wisse, wohin seine Begleitung verschwunden sei.Tja, blöd gelaufen, Julien. Und viel Spaß mit der Rechnung.
    »Könnten wir jetzt losfahren?«, fragte Dusty.
    »Kein Problem«, entgegnete der Fahrer, wendete und fuhr den East Point wieder hinauf.
    Dusty las die Taxifahrerlizenz an der Windschutzscheibe. Franky Ng stand da. Na klar, jetzt wusste sie wieder, wer er war. Als sie noch beim Drogendezernat war, hatte sie ihn mal wegen Hanfanbaus eingebuchtet. Es war eine richtig große Plantage gewesen, draußen bei Rum Jungle. Vier Jahre hatte ihm das eingebracht, wenn sie das richtig im Kopf hatte.
    Sie senkte den Kopf und tat, als krame sie in ihrer Handtasche. Aus Erfahrung wusste sie, dass Unterhaltungen zwischen Polizisten und Kriminellen, respektive Exkriminellen, bisweilen ausgesprochen unschön verliefen.
    »Wohin, Lady?«, fragte er, als sie auf eine Straßenkreuzung zurollten.
    Links ging’s nach Hause. Kurz in den Pool tauchen. Irgendwas Albernes in der Glotze. Und dann eine verschwitzte, aber keusche Nacht im eigenen Bett.
    Juliens Worte wollten ihr nicht aus dem Kopf gehen. »Schatz, du machst Männern Angst.« Neulich erst hatte sie sich mit Trace über ihr nicht existentes Liebesleben unterhalten.
    »Schwester, du musst mal ein bisschen milatieren gehen«, hatte Trace ihr geraten.

    Natürlich sagte Dusty der berüchtigte Serienmörder Ivan Milat etwas - welchem Polizisten, welchem Australier nicht? -, aber dass man ihn jetzt schon zum Tätigkeitswort umgemodelt hatte, war ihr neu.
    »Wie, milatieren?«
    »Reiß dir einen Rucksacktouristen auf.«
    Das war einer dieser typischen, geschmacklosen Scherze, die lingua franca der intrapolizeilichen Kommunikation, und Dusty hatte gelacht, bevor sie ihr entgegenhielt: »Aber das ist Sex, nicht Liebe.«
    »Es ist Rucksacktouristenliebe, und die würde dir höllisch guttun.«
    Im Anschluss hatte Trace ihr das Milatieren im Detail erklärt - es gab klare Ge- und Verbote -, aber Dusty hatte nur mit halbem Ohr zugehört.
    »Soll’s denn nun nach links oder rechts gehen?«, wollte der Fahrer wissen.
    Nach elf Jahren Polizeidienst arbeitete Dustys Verstand mit eiskalter Logik. Was wäre denn bewiesen, wenn sie sich einen Touri aufrisse? Dass sie die Männer nicht verschreckte? Der gewöhnliche Rucksackreisende war alles andere als wählerisch. Herrgott noch mal, vor ein paar Jahren hatten sie jemanden aufgegriffen, der versucht hatte, sich mit einem überfahrenen Kadaver zu paaren. Wäre damit bewiesen, dass sie nicht sitzen gelassen und versauern würde? Wohl kaum. Mit dem Aufreißen eines Touris wäre nur eins bewiesen: dass sie einen Touri aufreißen konnte. Und wenn sie nun nicht mal das zuwege brachte? Wie würde sie einen solchen Tiefschlag gegen ihr Ego wegstecken? Der einzige logische Schluss war also, den Fahrer links abbiegen zu lassen.

    »Rechts«, befahl Dusty. »Zur Mitchell Street.«
    Als sie am Casino vorbeifuhren, dudelte »Alexis Sorbas«. Sie schaute aufs Handy - Anruf von Julien - und schaltete es aus.
    »Irgendwohin Spezielles?«
    »Ja, zum Duck’s Nuts.« Dusty nannte einfach die erste Bar, die ihr einfiel.
    »Da geht um die Zeit bestimmt mächtig die Post ab.«
    Dusty sah, dass Franky Ng sie im Rückspiegel musterte.
    »Wie laufen die Geschäfte denn so?«, fragte er dann.
    Dusty blickte auf. »Ich bin nicht mehr bei den Drogen, falls Sie das meinen.«
    »Ebenso.«
    »Gute Entscheidung. Wie war’s denn in Berrimah?«
    »Das Essen war scheiße, aber ich hatte viel Zeit zum Nachdenken.«
    »Und jetzt fahren Sie Taxi?«
    »Teilzeit. Außerdem bin ich an der Volkshochschule

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