Vor dem Regen - Roman
Hongkong, sie hatten unzählige Male miteinander getrunken und nicht ganz so oft gekifft, im selben Zimmer geschlafen hatten sie viele Male, im selben Bett immerhin des Öfteren, und insgesamt dreimal war es zu Sex gekommen.
»Es war nett. Das hab ich dir doch oft genug gesagt, Dusty.«
»Nett? Jetzt mach mal halblang - dafür, dass du angeblich vom anderen Ufer bist, ist es dir aber verdammt leichtgefallen, einen hochzukriegen.«
»Das liegt nur an deinem großartigen Busen, mein Liebling. Der ist besser als Viagra.«
Dusty hielt gerechtfertigterweise große Stücke auf ihre Brüste, aber in der jetzigen Stimmung war sie für Juliens Schmeicheleien nicht zu haben.
»Und sag bloß nicht, du hättest keinen Orgasmus gehabt.«
»Okay, okay, ich hab abgespritzt. Meine Hochachtung für die Performance. Aber willst du die ganze Wahrheit wissen?«
»Natürlich. Ich bin Polizistin. Es ist meine Pflicht und Schuldigkeit, die Wahrheit herauszufinden.«
»Ich habe an einen anderen gedacht.«
»An wen?«
»Ach, hör schon auf«, stöhnte Julien entnervt. »Der Punkt ist der: Ich bin eine Schwuchtel und werde immer eine Schwuchtel bleiben. Ich weiß, dass es dir schwerfällt, das in deinen Schädel zu kriegen, aber ob du es glaubst oder nicht, ich bin gerne eine Schwuchtel. Ende der Diskussion.«
»Ganz wie du willst, aber bild dir bloß nicht ein, dass ich mir die Vorspeise mit dir teile«, verkündete Dusty und goss sich Schampus nach.
Als die zweite Flasche geleert war, waren sie wieder Freunde. Dusty erzählte Julien von dem Veteranenlager und dem kaputten, PTBS-geplagten Jimmy.
»Und wenn doch eine Leiche im Billabong liegt?«, warf er ein.
»Lieber Gott, das klingt wie der Titel von einem grottenschlechten australischen Film.«
Mit sonorer Ansagerstimme verkündete Julien: » Die Leiche im Billabong , in der Hauptrolle Sigrid Thornton als ›Die Leiche‹.«
»Und Bryan Brown als Billabong.«
»Jetzt mal im Ernst, was, wenn da wirklich eine Leiche ist?«
»Vergiss es. Ich bin das Vermisstenregister durchgegangen. Da gibt es niemanden, auf den die Beschreibung passt. Es ist ein klassischer Fall von PTBS. Also, Julien, bleib du bei deinen Eurowesen, und ich kümmere mich um die Polizeiarbeit, okay?«
»Tu nicht so von oben herab.«
»Was soll das denn heißen?«
»Ich bin ziemlich sicher, dass ich einen guten Ermittler abgeben würde, besonders verdeckt. Wie Serpico, weißt du?«
Dann wurde der Hauptgang aufgetragen, Lamm für Julien, Hähnchen für Dusty, und es entstand eine Pause in der Unterhaltung. Dusty genoss das Essen und den Blick. Der Mond schien jetzt mit einer Intensität, die ansonsten den nicht ganz so subtilen, romantischen Liebesfilmen vorbehalten ist. In den Palmen tummelten sich Tiere, Fledermäuse wahrscheinlich.
Julien allerdings wurde zunehmend nervös. Das war bei ihm nur selten der Fall, beziehungsweise, er ließ es sich nur selten anmerken, daher war Dusty, als er anfing, an seiner Unterlippe herumzusaugen und den Ring an seinem Finger zu drehen, sofort klar, dass etwas im Busch sein musste.
»Also raus damit, was ist los? Du machst mich noch ganz kirre. Sag’s schon.«
Julien seufzte. »Erinnerst du dich noch an die beiden, die wir neulich abends am Markt von Mindil Beach getroffen haben? Deb und Bree?«
Dusty nickte. Juliens Freundeskreis war in einem stetigen Wechsel von Ausweitung und Kontraktion begriffen, wie eine Art Urtierchen. Wenn er Dusty nicht gerade mitteilte, dass sie mit So-und-so keinesfalls mehr verkehren dürfe, dann stellte er sie seinen neuesten besten Freunden vor. Aber an Deb und Bree konnte sie sich in der Tat vage erinnern. Deb war groß und Bree hübsch. Oder andersrum. Egal, sie wusste noch, dass beide bei irgendeiner Behörde arbeiteten, Frauengesundheit oder so.
»Die zwei Lesben?«
Julien verdrehte die Augen. »Dusty, jetzt fang nicht wieder damit an.«
Ein schelmisches Lächeln. »Na schön, ja, ich erinnere mich an deine Freundinnen Bree und Deb, welche wohl ein Pärchen und Jüngerinnen Sapphos waren.«
Julien musste lachen. »Jüngerinnen Sapphos? Manchmal möchte ich echt wissen, was da in deinem Kopf abgeht.« Er leerte sein Glas. »Also, sie haben vor, ein Baby zu bekommen.«
Dusty verzog das Gesicht.
»Dusty!«
»Soll ich dir sagen, was ich von diesen Lesben und ihren Designerbabys halte?«
»Sie möchten, dass ich der biologische Vater bin.«
»Gratuliere. Ich bin sicher, ihr beide, ach entschuldige, ihr drei werdet
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