Vor dem Sturm (German Edition)
sondern betrachtet China, mit einem Ausdruck von Respekt und Liebe im Gesicht. »Ich muss ihn von den anderen trennen. Es ihm leicht machen, bis er stirbt.«
»Jo.« Ich hole tief Luft. Mir wird flau im Magen. Ich werde zugucken, wie Skeet sein Eigen umbringt. »Ich bin da, das weißt du.«
Das Essen ist neuerdings anders. Ich sitze in der Küche vor einer Schale mit Eiern und Reis und esse, aber es fühlt sich an, als würdeich mich selbst belügen und auch Skeetah, der Essen stiehlt für unsere Nacht im Wald. Jeder Bissen ist eine neue Lüge. Essen ist das Letzte, was ich will. Skeetah holt noch mehr Plastiktüten unter dem Waschbecken hervor und wickelt sie um die Tüte mit dem Essen, bis das Bündel so undurchsichtig ist wie der Eikokon einer Spinne und man den Mix aus geklauten Sachen, die eigentlich unsere Vorräte für den Hurrikan sein sollten, nicht mehr sehen kann.
»Gut so?«, fragt er.
Ich schlucke. Nicke.
»Wir sollten auch eine Flasche Wasser mitnehmen.«
»Du weißt doch, dass Daddy sie vermutlich genau abgezählt hat.«
»Wir sagen Randall, er soll ihm sagen, es lag an dem ganzen Bier, das er gestern getrunken hat. Hat sich verzählt.«
»Kommt Randall nicht mit?«
»Weiß nich. Aber du weißt doch, dass Randall Daddy alles Mögliche erzählen würde.«
Skeetah steckt sich das Tütenbündel unters Hemd. Jetzt sieht er schwanger aus.
Ich kratze mit dem Löffel den Bauch meiner Schüssel aus, lasse das Metall über alle gerundeten Stellen gleiten. Der Reis bildet Klumpen; das Ei wird übereinander gehäuft. Alles verschwindet, und ich frage mich, was ich damit füttere. Ich stelle mir vor, wie das Essen sich in Brei verwandelt, meine Kehle hinunterrutscht, durch meinen Körper fließt wie Wasser durch einen Gully, um sich in meinem Magen zu sammeln. Damit das, was in mir ist, wachsen und im Winter zu einem Baby werden kann. Und Skeet lächelt mich an, hält mir die Tür auf, damit ich hindurchgehen kann, und er ist blind.
∗ ∗ ∗
Junior schleppt Sperrholzplanken über den Hof. Er hievt sie hoch und zieht sie rückwärts durch den Sand. Daddy hat sie überall verteilt, von anderen Stellen des Pit hergekarrt und auf der Erde liegen lassen. Junior stapelt sie auf, und jede einzelne hinterlässt eine Spur von Holzkrümeln, denn sie sind voll von schwarzen, verfaulten Stellen. Junior legt eine Spur aus Brotkrumen. Er ist ganz staubig, es sieht aus, als habe er sich in Kreide gewälzt. Seine dünnen grauen Shorts hängen durch bis zur Mitte seiner Schienbeine. Vermutlich ein altes Paar von Skeet. Er lässt ein Brett fallen, und es knallt.
»Wo wollt ihr alle hin?«, fragt Junior.
»Geht dich gar nichts an«, sagt Skeet. Er geht in den Schuppen, und ich folge ihm.
»Mach weiter, Junior«, sage ich. Er braucht nicht zu wissen, dass der Welpe stirbt. Er braucht nicht zu wissen, dass auch junge Wesen sterben können.
»Du bist nicht der Boss von mir«, sagt Junior. Ich versuche, ihn daran zu hindern, sich durch die Vorhangtür zu schieben, aber er kriecht unter mir durch und sieht, wie Skeet den kranken Welpen nimmt, der jetzt nicht mehr schwimmt. Der Kopf des Welpen rollt zur Seite, und er hebt eine Pfote, aber ich weiß nicht, ob Skeet ihn mit dem Finger bewegt wie eine Marionette oder ob der Welpe kämpft.
»Hau ab, Junior! Gehorch gefälligst«, sagt Skeetah. Er zieht einen Eimer von einem der hohen Regale und legt den Welpen hinein, und dann stellt er ihn wieder zurück, damit China nicht rankommt. Sie knurrt, und Skeetah legt einen Finger in die Mitte ihrer Stirn und drückt. »Sei ruhig.«
»Das sag ich Randall, dass du was Böses mit dem Welpen machen willst!« Junior rennt nach draußen.
»O Gott«, stöhne ich.
China liegt auf der Seite und schaut zu. Die Welpen trinken,und sie liegt still, versteinert. Nur ihre Augen leuchten wie eine Öllampe im Licht. Ich sollte wissen, dass sie so ist, wissen, dass sie oft still wird, ein Tier, das zum Angriff bereit ist, und dass ich nicht so bin. Ihr Schwanz rührt sich nicht. Unwillkürlich kriege ich eine Gänsehaut am Bauch, an den Armen, bis oben.
»Wir lassen ihn da oben bis heut Abend. Wenn es Parvo ist, dann is er hoffentlich weit genug weg, um die andern nich anzustecken.« Skeetah wischt sich vorne an seinem löchrigen T-Shirt die Hände ab. Das Shirt zieht sich hoch bis über die Rippen, über seinen dünnen, muskulösen Bauch. »Scheiße. Die Keime. Ich muss mir die Hände waschen.«
Ich sitze auf der Treppe und warte auf
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