Vor dem Sturm (German Edition)
zum Hüpfen
, will ich sagen und auf das Eichhörnchen zeigen, das unter rhythmischen roten Spritzern stirbt. Aber ich sage nichts, und Skeetah zuckt die Achseln, hebt das Eichhörnchen wie eine Opfergabe hoch und macht sich auf den Weg zurück zur Grube.
Als wir zum Lager zurückkehren, legt Skeetah das Eichhörnchen auf die Plastiktüte, zieht das Messer hervor und schneidet ihm den Kopf ab. Das Blut riecht wie nasse warme Erde nach einem Sommerregen. Er wirft den Kopf wie einen Ball ins Unterholz, zieht die Messerklinge in einer Zickzacklinie über die Brust des Tiers und macht dann ein Kreuz entlang der Läufe. Er ist unbarmherzig, ruhig, konzentriert wie China vor einem Kampf. Skeetah zieht kräftig, und die Haut bläht sich weg von dem darunter liegenden Fleisch, dehnt sich, dehnt sich weiter, bis sie nur noch ein schlaffer nasser Lappen ist, den Skeetah wegschleudert. Kleine Fellstiefel kleben noch an den Füßen des Eichhörnchens, aber Skeet schneidet sie ab und wirft sie dem Kopf hinterher. Das Tier ist jetzt nichts als Fleisch, so dick wie zwei aufeinandergelegte Schweineschnitzel. Skeetah macht einen Schnitt in denBauch, und was herausquillt, ist blau-lila und sieht aus wie ein Haufen nasses Tau.
»Scheiße«, keucht Skeet. Der Geruch der Eingeweide ist durchdringend. Als Daddy noch Schweine hatte, kackten, aßen und fickten sie in ihrem eigenen Dreck und wurden dabei rosig und fett, aber ihr Geruch und ihr Nest war so wie der Magen dieses Tiers: roh und voller Scheiße. Skeetah hat recht.
Er versucht, die Eingeweide herauszuziehen, aber sie sitzen fest, deshalb will er die Fäden durchschneiden, an denen sie hängen, doch dabei durchtrennt er versehentlich die Gedärme.
»O Scheiße«, sagt Skeetah, lässt das Tier samt Eingeweiden und Messer auf die blutverschmierte Plastiktüte fallen und tritt zurück, die Hände auf den Knien, den Kopf nach unten gerichtet. Meine Kehle ist rau wie Sand, und ich kriege keine Luft.
»Mein Gott, Skeet.« Ich renne weg, hinter eine kleine Baumgruppe, so weit weg von dem Geruch und dem Schleim, wie ich kann, bis ich hinfalle und die Eier, den Reis, das Wasser, alles, was in mir ist, erbreche, bis kein Essen mehr übrig ist, bis mein Hals sich leer anfühlt und ich nur noch Luft und Spucke herausbringe. Aber alles kann ich trotzdem nicht erbrechen. Etwas tief in mir bleibt da.
Bis das Fleisch durch ist, braun und klein mit harten Kanten wie ein Edelstein, sind auch die Jungs eingetroffen. Marquise schneidet mit seinem Taschenmesser Fleischstückchen ab, die er auf Brotscheiben legt, die von der Chilisoße langsam matschig werden. Skeetah macht ein Sandwich und reicht es mir, ehe er sich selbst eins macht. Das Fleisch ist sehnig und zäh, es schmeckt halb nach dem roten Gewürz der Chilisoße, die das Brot rosa färbt, und halb nach wildem Tier. Ich beiße hinein, und plötzlich esse ich Eicheln und springe voller Angst in die kleinen dunklen Löcher im Herzen alter Eichen. Die Sonne war untergegangen,während Skeetah und ich nach Grillholz suchten; der Himmel über uns hatte sich schlagartig bunt gefärbt, und dann war die Sonne zwischen den Bäumen versunken, sodass die Farbe aus dem Himmel ablief wie Wasser durch einen Abfluss und der Himmel weiß, dann dunkelblau, dann schwarz zurückblieb. Ich legte zu viel Holz aufs Feuer; Skeet musste, eine Hand in sein T-Shirt gewickelt, das Eichhörnchen immer wieder an der Pfote wegziehen, weil er Angst hatte, es könnte verkohlen. Aber das Feuer ist so groß, dass ich alle Gesichter im Dunkeln erkennen kann.
»Schmeckt gut«, sagt Marquise.
»Schmeckt verbrannt«, sagt Skeetah. Big Henry, der neben ihm sitzt, lacht.
»Es schmeckt grauenvoll. Kaum zu glauben, dass ihr das Zeug esst.« Big Henry nimmt noch einen Schluck von seinem Bier, das so warm ist, dass die Flasche in der Hitze der Nacht noch nicht einmal schwitzt. »Das bisschen Nichts könnt ihr genauso gut dem Welpen geben.«
Ich kaue das Sandwich kaum, ich zerbeiße es nur klein genug, um es mir auf die Zunge zu legen, mit Spucke zu benetzen und zu schlucken. Skeetah reicht mir die Saftflasche, und ich nehme einen großen Schluck von dem warmen gefärbten Zuckerwasser. Ich habe keinen Hunger, aber es ist besser, etwas zu essen, weil mir dann weniger übel ist. Wenn ich mich noch mal übergebe, fragt mich bestimmt jemand, was mit mir los ist. Und ich möchte nicht lügen, nicht überzeugend sein müssen. Möchte nicht, dass sie mich anschauen und fragen. Ich
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