Vor dem Sturm (German Edition)
sein Mund geht auf, und er sieht aus wie ein Fisch, der nach Luft schnappt. »Oh«, sagt er und schweigt dann.
»Was?«, fragt Big Henry.
Skeetah holt einmal tief Luft und zieht die Arme fester vor der Brust zusammen.
»Für die Hunde«, sage ich, weil Skeetah nichts sagen will.
»Nein«, sagt Randall.
Skeetah schaut ihn bloß an, seine Muskeln in den verschränkten Armen treten hervor wie Seile.
»Man weiß nie, was die Weißen da oben im Haus haben. Vielleicht haben sie ein Gewehr«, sagt Big Henry.
»Wir wolln gar nich ins Haus«, sage ich. »Wir wolln in die Scheune.«
»
Wir
gehn in gar keine Scheune.« Skeetah spricht mit verkniffenen Lippen. »
Ich
geh in die Scheune, und du stehst Wache, wie ich gesagt hab.«
»Keiner geht hier irgendwo hin.« Randall spreizt seine langen, dünnen Finger, schüttelt den Kopf, packt Junior, der neben ihm steht und zuguckt, am Arm. »Ihr kommt alle mit mir nach Haus.«
»O Scheiße«, sagt Big Henry leise.
»Wir gehn nirgends hin.« Skeetah löst seine Arme, und sie schwingen federnd neben seinem Körper auf und ab; seine Stimme ist laut, und er ähnelt diesen kleinen Böllern, die wir am vierten Juli immer haben, die nach allen Seiten Funken sprühen und in zackigen Linien über den harten Sand im Hof hüpfen. »Erstens sind ich und Esch fast eine Stunde lang um das ganze Feld gelaufen und haben das Haus beobachtet, verdammt noch mal. Keiner da, und bloß ein Welpe hinter dem Haus, da bei der Auffahrt. Und ich weiß, was ich brauch, und ich weiß, wo es is. Und es is auch nich so, dass ihr nix davon hättet. Wenn meine Hunde überleben, kann ich achthundert Dollar mit ihnen verdienen.
Achthundert Dollar
. Wisst ihr, was wir alles mit achthundert Dollar machen können? Du brauchst nicht bei Daddy um das restliche Geld fürs Basketball-Camp übernächste Woche zu betteln, und du brauchst dir kein Stress machen, in der Sommersaison gut genug zu spielen, um eins von den Stipendien dafür zu kriegen. Ich weiß, dass du hinwillst, und du weißt genauso gut, dass Daddyso viel Geld nich hat.« Skeetahs Stimme verpufft, er lässt die Hände hängen. Jetzt verbreitet er nur noch bitteren, schwefelsauren Rauch. »Du bist hier nich der Vater«, murmelt er.
»Das ist doch dämlich«, sagt Big Henry.
»Ich bin der Schnellste«, sagt Junior und zerrt an Randalls Arm.
»Halt die Klappe, Junior«, sage ich.
Randall zieht Junior zu sich heran und legt eine Hand auf seinen Kopf, genau wie ich meine Hand auf Skeets Kopf gelegt habe, als er mir das Blut abgetupft hat. Junior beruhigt sich, wendet sich uns zu, und Randalls Arm liegt wie ein Schal um seinen Hals. Junior lächelt immer noch; er glaubt noch, dass er mit uns losrennen wird.
»Du wirst nirgends hinrennen, Junior.« Junior zieht ein Gesicht. Randalls Arme umfangen seine Brust. Randall schaut auf Juniors Kopf hinunter und wischt ihm ein bisschen Moos aus dem Haar. »Das würdest du für mich tun?« Randall spricht mit Juniors Kopf, und zuerst weiß ich nicht, mit wem er redet, aber dann fällt mir Skeet ein, der jetzt neben mir nickt. Mit jedem Nicken tropft ungehindert Schweiß von seinem Kopf, vorbei an seiner großen Nase und der flaumigen Oberlippe, um dann wie ein schwacher sommerlicher Nieselregen von seinem Kinn zu perlen.
»Ja«, sagt Skeetah, immer noch nickend. »Ja.«
Skeetah schildert den Plan. Deshalb kann er mit Hunden so gut, mit China, glaube ich, weil er aus vergammelten Brettern einen Zwinger bauen, ein Eichhörnchen grillen oder aus abgerissenen Fliesen einen Fußboden machen kann.
»Du bist zu dick, um da draußen aufs Feld zu gehen.« »Hatte ich sowieso nich vor«, sagt Big Henry. Skeetah zuckt die Achseln.
»Dann bleibst du mit Junior hier im Wald. Still, Junior. Das ist ernst. Schon mal von Hänsel und Gretel gehört? Tja, denen gehörtdas Haus da, und die wollen dich fett machen wie ein kleines Schweinchen und dich dann essen. Also halt den Mund und bleib mit Big Henry hier im Wald. Und wenn du dich wegschleichst wie letzte Nacht – still, Junior, ich hab dich gesehn –, dann krieg ich dich und schlag dich windelweich. Falls die Weißen dich nicht vorher aufessen.«
»Soll ich dir helfen, in die Scheune zu kommen?«, fragt Randall.
»Nein, ich brauch keine Hilfe. Außerdem bist du zu groß. Du bleibst am Rand der Wiese, gleich hinterm Zaun, und behältst das ganze Feld im Auge. Wenn du was siehst, pfeifst du.«
»Was ist mit Esch?«, fragt Randall.
»Esch geht in die Mitte der Wiese, legt
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