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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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kommt plötzlich, scharf. Er schießt mir in die Hüften, und ich presse die Beine zusammen und frage mich, warum meine Blase sich wie ein vollgesogener Schwamm anfühlt. Ich kann nichts dagegen tun. Ich muss pinkeln. Schon wieder.
    »Scheiße, Skeet«, sage ich zur Seitenwand der Scheune, zu der leeren, schimmernden Straße. Ich werde es anhalten. Noch ein Schmerzstoß; ich wackele im Gras mit den Hüften und kneife die Beine zusammen. Manchmal hilft es, wenn ich so wackele undpresse. Der Druck lässt nach. Es klappt für die Dauer eines Kopfschüttelns, eines Nickens zur immer noch leeren Straße hin, dann ist er wieder da. Unerträglich, eine Kaulquappe, die bis an die Grenzen ihres Eis gewachsen ist. Druck. Ich kann es anhalten. Kann ich nicht.
    Ich stehe auf, schaue mich nach hinten um, wo Randall, wie ich weiß, im Gebüsch kauert. Vielleicht kann ich meine Unterhose und meine Shorts zur Seite halten und so pinkeln. Ich ziehe an dem Gummiband im Schritt, aber es ist zu eng. Ich kann nicht gleichzeitig zur Straße schauen und pinkeln. Das ist unmöglich. Randall und Big Henry, und weiter hinten Junior, würden mich sehen. Ich komme damit klar, dass sie eine entblößte Schulter sehen, ein Bein, sogar eine Brustwarze, aber ich kann mich nicht hier auf der Wiese ausziehen, ihnen meinen Po entgegenstrecken und pinkeln. Es dauert ja nur einen Augenblick, sage ich mir. Mit dem Gesicht zu Junior, Randall und Big Henry im Wald gehe ich in die Hocke, bringe meinen Po so nah an den Boden wie möglich und ziehe mir die Shorts zentimeterweise herunter, bis ich die Luft an der Haut spüre. Ich drücke die Pisse mit aller Kraft hinaus, und sie trifft das Gras so stark wie ein Wasserstrahl aus einem Gartenschlauch. Sie plättet das Gras. Das Baby und die Pisse sind ein und dasselbe. Sie sind da, auch wenn ich nicht an sie denke, wenn ich sie so gut vergesse, dass ich glaube, sie könnten weg sein. Ich versuche, meine Hose zentimeterweise wieder hochzuziehen, aber sie steckt fest, und ich versuche, nicht auf das nass gepinkelte Gras zu treten, als ich es höre, und ich wünschte, ich hätte es nicht gehört. Randalls Pfeifen, schrill und durchdringend, kurz. Ich ziehe meine Shorts mit einem Ruck ganz nach oben, falle nach vorn auf die Hände, schaue mich um und sehe einen silbernen Kühlergrill und eine dunkelblaue Fläche, die größer wird und allmählich die Auffahrt ausfüllt.
    Sie sind zurück
, zuckt es mir wie eine Fledermaus durch denKopf, aber ich stecke mir die Finger in den Mund und puste und puste, pfeife immer wieder, bis ich Randall rufen höre: »Esch!«
    Skeetahs Arm ist das Erste, was die Fensteröffnung durchsticht. Der Lieferwagen kommt die Auffahrt hoch und fährt halb ums Haus herum, und ich krieche auf allen vieren rückwärts. Die Kühe traben nervös von mir weg, werden von den Vögeln noch weiter getrieben, mein Reiherfreund stößt neben mir quiekende Laute aus, während er wegläuft, und dann geht die Tür des Lieferwagens auf, und ich stelle mich auf die Füße, bleibe tief gebückt und bewege mich weiter rückwärts. Auf der Ladefläche des Wagens ist ein Hund, der springt auf und ab wie ein Reh, bellt, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, bellt und bellt mit seinem langen scheckigen Fell in der Farbe des dunkel bewölkten Himmels über mir, hat den dunklen Kopf mir hier auf der Wiese zugewandt, weist mit der Nase in unsere Richtung.
    Der weiße Mann steigt als Erster aus dem Wagen. Er knallt die Tür hinter sich zu, gestikuliert mit den Händen zu dem Hund, als würde er nachts am Strand im flachen Wasser ein Fischernetz auswerfen, um Barsche zu fangen. Irgendjemand hat meine Füße mit Stacheldraht zusammengebunden: Ich kann nicht rennen. Skeetahs Oberkörper hängt aus dem Fenster, als der Hund vom Wagen springt, erst knurrend, dann bellend wie ein Spaten, den man über Asphalt schleift, der in Pflastersteine übergeht. Skeetah fällt mit dem Gesicht zuerst, landet auf Unterarmen und Kopf, rollt sich ein und steht auf. Seine Füße schlagen nach hinten aus, und er rennt los, während der Mann zur anderen Seite der Scheune hinüberschaut, die er nicht sehen kann, dem Hund folgt, der um die Scheune herumjagt und aussieht wie ein in Regen gehüllter Sturm. Skeetah rennt mit einem Arm über dem Kopf, schwenkt ihn vor und zurück, als wolle er mit der Handfläche die Luft schlagen, und mir wird klar, dass er will, dass ich weglaufe, und ich drehe mich um und sprinte los, während derMann hinter

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