Vor dem Sturm (German Edition)
Tochter, die ihn anhimmelt. Ich male mit dem Zeh einen Strich in den Sand, ziehe die Hände aus den Taschen meiner Shorts, wo sie sich hingeschlichen hatten, um meinen Bauch zu umschließen, versuche mich zu zeigen, damit Manny mich anschaut, wie er China anschaut. Junior fängt an, in die Dunkelheit des Schuppens zu pfeifen, so als wolle er die Welpen zu sich rufen, sie ins Licht führen, zu einem neuen Bruder, und sich dann mit ihnen unter dem Haus verkriechen wie mit seinen verlorenen Hunden.
»Weg von der Tür, Junior«, sagt Skeetah. China leckt seinen Atem, kostet seine Worte. »Esch, wir haben doch Öl, oder?«
Daddy hat einen Acht-Liter-Kanister Pflanzenöl im Schrank zum Braten von Austern oder Fischen, wenn er welche fängt oder seine Freunde ihm welche schenken, aber ich glaube kaum, dass China das mögen wird. Ich stecke einen Finger in das Öl und reibe es auf meine Zähne. Zu metallisch, zu fad. Aber das Bacon-Fett, das Daddy auf der Anrichte in einer alten Blechkanne aufbewahrt, die von den Resten schon ganz wächsern geworden ist: das schmeckt wie Bratenfett. Das schmeckt, als wäre der nächste Happen ein Stück salziger, knuspriger Speck, in der Mitte zart, an den Rändern verbrannt, steif wie ein Zweig. Das wird sie mögen.
Skeetah hat einen großen Pappkarton aufgetrieben, ihn inzwei Teile geschnitten und mit Stoff ausgekleidet, und ich kann nicht sagen, ob der Stoff von alten Kleidern, Laken oder Handtüchern stammt, denn unter den Hunden sieht er einfach aus wie dunkelgraue Lumpen. Auf dem Kartonboden steht
Westinghouse
.
»Den hab ich hinter der Halle bei der Kirche gefunden«, sagt Skeetah. Er zieht gerade das Ivomec in die Spritze. Es ist farblos wie Wasser. Er sitzt auf einer verrosteten und verbeulten Werkzeugkiste, die Ivomec-Flasche zwischen den Knien. Wenn er sich bewegt, reibt die Werkzeugkiste knarzend gegen das Metall innen drin, wie wenn jemand mit den Zähnen knirscht. Er schraubt die Flasche wieder zu, schiebt sie in seine Hosentasche. Manny ist weg, aber Junior steht in der Ecke, die Hände hinter dem Rücken gefaltet, an die Schuppenwand gelehnt.
»Wo ist Manny?«
»Wollte noch was erledigen.« Skeetah hält die Kanüle in einer Hand und die Blechkanne mit dem Bacon-Fett in der anderen. Er schwankt.
»Er hat gesagt, er kommt wieder«, meldet sich Junior. Er wippt auf den Fußspitzen und stößt gegen die Schuppenwand, dass das Blech wackelt.
»Junior. Hör auf damit. Mist, ich brauch ne Schüssel.« Skeetah dreht sich zu mir um. »Holst du mir bitte eine Schüssel?«
»Junior, hol ihm eine Schüssel.« Obwohl ich pinkeln muss, die Melone unter meinem T-Shirt reif ist, will ich den Schuppen nicht verlassen.
»Er hat dich gebeten«, sagt Junior ruhig, ganz auf die Welpen konzentriert. Sie stürzen sich blindlings kopfüber durch die Tür des Kartons.
»Los, Junior, mach schon.«
»Nein.«
»Esch, bitte.«
Im Haus setze ich mich kaum auf den Toilettensitz. Ich beugemich vor und lege die Lippen auf die Knie, spüre die zarte Haut über den Kniescheiben. Draußen kräht mitten am Tag der Hahn, durchbricht mit seinem Ruf das diffuse Summen der Insekten. Übelkeit macht mir zu schaffen. Manny ist gegangen; ich will nicht an ihn denken, nicht wissen, dass er irgendwo da draußen ist, alles Sonnenlicht in sich aufsaugt, einen Zigarillo raucht, den Kunden an der Tankstelle ihre Einkäufe reicht, dass seine Hände Shaliyah berühren, so sanft wie Schlickgras, aber ich tue es doch. Auf dem Rückweg zum Schuppen gehe ich im Schatten. Wenn ich der Sonne nicht ausweichen kann, wenn sie mich durch die Äste trifft, brennt sie.
Skeetah gießt eine Handvoll Bacon-Fett in die Schüssel und spritzt das Ivomec hinein. Er rührt mit einem Finger um. Obwohl wir im Schatten sind, ist die Hitze im Schuppen noch schlimmer als draußen; wie im Innern einer heißen Faust. Junior und Skeetah sind beide schweißgebadet, und Skeetah blinzelt, als würde er gleich anfangen zu weinen, weil ihm der Schweiß wie Wasser von der Kopfhaut über die Stirn bis in die Augen läuft. Ich versuche zu sehen, ob sich das Ivomec in der Schüssel gut vermischt, als sich das Licht im Türrahmen verfinstert und Skeetah aufblickt und an mir vorbeischaut, stinksauer.
»Weg da von der Tür. Du stehst total im Licht.«
Es ist Manny. Er hat beide Hände oben auf den Türrahmen gelegt und lehnt sich durch die Öffnung hinein, zieht seinen Körper lang wie Karamell. Alles, was ich von ihm sehen kann, ist sein Schatten
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