Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
Vom Netzwerk:
und das Weiß seines Lächelns. Es fühlt sich falsch an, sein Gesicht nicht sehen zu können, falsch, dass er jetzt so dunkel ist wie ich, dass er von der Sonne hinter ihm schwarz gefärbt wird, so wie Tinte, die auf nassem Papier ausblutet.
    »Hat jemand mein Feuerzeug gesehen?« Mannys Stimme ist so deutlich und scharf wie die Ecken der Werkzeugkiste, auf der Skeetah sitzt.
    »Nein.« Skeetah rührt die Medizin mit dem Finger um. »Weg da.«
    »Du, Esch?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Du hast es in die Tasche gesteckt«, sagt Junior, und Manny lehnt sich an den Türpfosten und kramt in seinen Taschen. Diffuses Licht strömt in den Raum. Ich sehe Mannys Profil, seine glaszerschrammte Seite, dann hört er auf zu kramen, wendet sich uns zu, und sein Gesicht wird wieder dunkel. Ich wünschte, er würde meine Hand nehmen und sie so festhalten, wie er den dunklen Balken über ihm festhält, und dann mit mir aus dem Schuppen gehen, weg vom Pit. Mir helfen, die Sonne zu ertragen. Mich umarmen, nachdem er mein Geheimnis erfahren hat. Anders sein.
    »Ich hab dich da drüben gar nicht gesehen, Junior«, sagt Manny.
    »Danke«, sagt Skeet. Das Öl hat das Ivomec aufgesogen. Die Mischung ist weißgelb und cremig. Skeetah probiert sie.
    »Lass das lieber«, sagt Manny.
    »Wolltest du nicht was erledigen?«
    »Ich will dir ja nur helfen.«
    »Du kannst mir helfen, indem du aus dem Licht gehst – rein oder raus.«
    »Bin schon weg.« Manny zuckt die Achseln. »Ich werd mal oben unter den Bäumen suchen. Rein komme ich auf keinen Fall; China mag mich nicht.« China sitzt vor Skeetah, schert sich nicht darum, dass ich ihm so nah bin, konzentriert sich auf die Schüssel mit dem Bacon-Fett. Sie hechelt, ihre Zunge tropft.
    »China mag jeden.« Skeet zieht die Mischung wieder in die Kanüle.
    »Okay.« Manny lacht. Wieder sein Lächeln. Jedes Mal, wenn ich seine Zähne sehe, packt mich die Übelkeit. Manny tritt zurSeite, das Licht fällt herein, und ich wünschte, er würde gehen, wiederkommen, nie dagewesen sein. China tanzt auf den Hinterbeinen, weil Skeetah mit der Spritze in der Hand aufgestanden ist.
    »Hier.«
    Ich presse mir die Schüssel an den Bauch.
    China hüpft auf den Hinterbeinen. Das Wesen, das gestern den grauen Hund zerfleischt hat, ist jetzt eine Frau, die auf der Tanzfläche im Oaks beim ersten Lick der Bluesgitarre aus der Jukebox auf ihren Partner zugeht, mit einem Drink in der Hand. China landet auf den Vorderpfoten und stemmt sich wieder hoch. Skeet hockt sich hin, legt einen Arm um ihren Hals und die Hand um ihren Unterkiefer, um ihren Kopf in den Nacken zu drücken.
    »Braves Mädchen«, sagt er.
    China grinst. Ihre Zunge schnellt wie ein nasser, ausgeschlagener Lappen hervor.
    »Ich kenn doch mein Mädchen«, haucht Skeetah. Mit der anderen Hand setzt er die Kanüle an ihre Lippen.
    China bellt, nickt. Ihre Vorderpfoten liegen wie die Hände einer Geliebten auf seiner Brust. Sie wirft den Kopf zurück, unterwürfig und flehend.
    »Braves Biest«, sagt Skeetah.
    China schnuppert, leckt an der Spritze.
    »So ist’s brav.« Skeetah schließt seine Finger, die Medizin verschwindet, und er zieht sich zurück. Die Welpen tapsen schnüffelnd um ihre Füße herum. China tritt aus Versehen auf den orangefarbenen, und er jault auf.
    »Bist und bleibst mein Biest«, sagt Skeetah.
    Draußen läuft Manny hin und her, durchkämmt mit den Füßen den Sand.
    »
Sein
Biest hat ihm scheint’s ne Abreibung verpasst.« Skeetahflüstert das in Chinas Fell; von der Tür sieht sie aus wie die staubige Glühbirne in dem dunklen Raum. Junior schleicht an der Wand entlang, um näher an die Welpen zu kommen. Auf dem Hof stiebt der Staub von Mannys suchenden Füßen auf, hüllt ihn ein und macht sein weißes T-Shirt und seine goldene Haut so dunkel wie einen angestoßenen Pfirsich.
    Ich habe die Mädchen in der Schule reden hören. Es sind Gespräche, die ich aus der Luft aufschnappe, so wie man getrocknete Wäschestücke von der Leine nimmt. Die Mädchen sagen, wenn man schwanger ist und eine ganze Monatspackung Antibabypillen schluckt, dann kriegt man seine Tage. Sie sagen, wenn man Bleichmittel trinkt, wird man krank und das, was das Baby geworden wäre, kommt raus. Sie sagen, wenn man sich selbst richtig doll in den Bauch boxt, sich auf die Metallkante eines Autos wirft und tief genug getroffen wird, um Blutergüsse hervorzurufen, dann hat man vielleicht eine Fehlgeburt. Sie sagen, das soll man machen, wenn man sich keine

Weitere Kostenlose Bücher