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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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weißt selbst, dass China nich mehr so überlegen is wie früher.«
    »Wie bitte?« Skeetahs Sehnen treten hervor.
    »Jeder Hund, der gebärt, ist hinterher nich mehr so stark. Auch wenn mans nich glaubt. Kostet so’n Tier jede Menge Energie, das ganze Säugen und so. Is der Preis fürs Weiblichsein.« Endlich schaut Manny zu mir rüber. Sein Blick gleitet über mich, als wäre ich aus Glas.
    Skeetah lacht. Es klingt, als ob das Lachen sich mit einer Hacke den Weg aus seinem Körper freischlägt.
    »Nich dein Ernst? Grade dann haben sie volle Power. Weil sie was zu beschützen haben.« Er schaut ebenfalls zu mir rüber, und ich spüre es noch, nachdem er längst weggeguckt hat. »Das gibt Kraft.«
    China leckt Skeetahs Hand so, wie sie ihre Welpen leckt. Skeetah schiebt ihren Kopf weg, aber sie macht weiter, und er wendet den Blick von Manny ab. Die Sehnen in seinem Hals glätten sich. Die Bedrohung verblasst; wäre er ein Hund, würde sein Fell sich anlegen.
    »Leben schenken« – Skeetah beugt sich zu China hinunter, tastet sie vom Hals bis zum Kinn ab, streichelt ihr Gesicht, als wolle er sie küssen, und sie streckt kurz die Zunge heraus – »heißt zu wissen, wofür sich das Kämpfen lohnt. Und was Liebe ist.« Skeetah streicht ihr über die Seiten, betastet ihre Rippen.
    »Hast du sie schon entwurmt?«, frage ich. Denkt Manny das auch von mir, dass ich schwach bin? Dass dieser Körper, der ihn verschluckt, der an ihm zieht und ihn ganz nimmt, bis nichts mehr übrig ist, einen Preis hat? Ist Manny froh, weil er ihn nie wird zahlen müssen?
    »Nö. Sie wollte das Ivomec vorhin nicht nehmen. Hat alles verschüttet.«
    »Weißt du, wie man es mischt?« Manny steckt das Feuerzeug in die Tasche seiner Jeans-Shorts. Sein Muscle-Shirt ist so weiß wie seine Zähne. Shaliyah hat anscheinend gewaschen. Ich frage mich, ob er das mit der Schwäche je zu ihr gesagt hat. Ob er sie je weiblich genannt und dabei das Wort am Ende abgebissen hat wie unreifes Zuckerrohr?
    Skeetah schaut zu Manny hoch, lässt die Hände sinken, entspannt den Unterkiefer.
    »Was meinst du, wie man es mischt?«
    »Verdammt, du bringst den Hund noch um.« Manny lächelt, als müsse er lachen. Ich schlucke, und mir wird klar, dass ich ihm am liebsten einen Renner geben würde, meine Hände flach auf seine muskulöse Brust legen und ihn wegstoßen will, weil er Skeet so ansieht, ihn beleidigt. Weil er Sachen sagt, ohne zu wissen, dass er über mich spricht. Er soll rückwärts umfallen, sich schlimm den Arm verrenken, und dann will ich ihn in den Dreck drücken. Ihn einmal zwingen, mich überall zu berühren. »Du musst das Ivomec mit Bratöl vermischen und dann dem Hund geben. Und versuch’s gar nicht erst mit Wasser, wenn du kein Bratöl hast. Das vermischt sich nicht richtig.«
    »Sie hat heute Morgen nix davon genommen.« Skeetah hält Chinas Kopf fest, zieht ihre Augen weit auf und starrt hinein.
    »Ganz sicher?« Manny lächelt immer noch.
    »Ganz sicher.«
    »Und sie brauch nur ganz wenig. Hast du ne Arztspritze?«
    »Ja, ich…« Skeetah stockt. »Hab gestern eine besorgt.« Schaut mich an. Ich schätze, Randall hat Manny erzählt, was mit dem Bauern und dem Wurmmittel und dem Hund passiert ist, aber ich weiß, dass Skeetah nicht will, dass es alle erfahren. Je weniger Leute Bescheid wissen, desto weniger Leute können reden, falls sich der Bauer je in den Wald verirrt und hier auftaucht und Fragen stellt. Wir wohnen im schwarzen Herzen von Bois Sauvage, und er wohnt weit draußen in den blassen Adern, daher glaube ich kaum, dass er herkommen wird, mit seinem wutschäumenden Hund und seinem Stock, den er wie eine Axt schwenkt, und womöglich mit einem Gewehr im Rückfenster seines glänzenden, frisch gespritzten Pick-ups. Aber ich weiß, Skeet würde sagen:
Trotzdem
.
    »Du brauchst einen halben Milliliter pro zwanzig Pfund. Was wiegt China, fünfundsechzig? Gib ihr anderthalb.« Manny zieht einen Arm vor seine Brust und zuckt dabei mit der Schulter.
    Dehnt seine Narbe. Das macht er, wenn er sich langweilt. Er schaut weg von Skeetah und China, durch Junior hindurch, der in den dunklen Schuppen späht, wo die Welpen auf ihrem neuen Fliesenfußboden dösen, und in den Wald hinein. Mich schaut er nie an. »Von mehr kann sie blind werden. Und von noch mehr kann sie sterben.«
    Skeetah zieht China an den Hinterbeinen zu sich heran, sperrt ihr das Maul auf und schnüffelt an ihrer Zunge. Er hat von Liebhaber auf Vater umgeschaltet. Sie ist die

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