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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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Schimmer, wovon man spricht, wenn ich ihnen sag, dass ein schlimmer Sturm kommt.«
    Skeetah richtet sich auf, balanciert auf den Fußballen, macht sich darauf gefasst zu warten, bis Daddy fertig ist.
    »Das da sind Bretter. Etwa von meinen Stapeln?«
    »Nö.«
    »Die hab ich fürs Haus zusammengesucht. Du pfuschst mir dauernd rein. Willst du, dass die Fenster kaputt gehn?«
    »Daddy, ich hab dein Holz nicht genommen.«
    »Woher hast du es dann?«
    »Hab es oben im Wald gefunden.« Skeet schiebt den Hammer auf seinem Bein auf und ab. Er wartet auf den Moment, in dem Daddy ausrastet.
    »Gar nix hast du im Wald gefunden.« Daddy fuchtelt mit der Hand in der Luft herum, als wolle er plötzlich aufgestobene Nachtkäfer verjagen, als kämpfe er sich durch die glänzenden braunen Insekten, deren Panzer so hart wie Karamellbonbons sind. Er spuckt aus. »Oder?«
    »Doch.« Skeetah ist ganz ruhig. Der Hammer ist still.
    »Blödsinn!«, brüllt Daddy. »Alles tu ich für euch, und ihr schert euch nen Dreck drum!« Er hebt wieder die Arme, als würde er noch mehr Käfer aufscheuchen. Er streckt die Hand aus, um Skeetahs Arm zu packen, ihn hochzuziehen und ihn dann wegzustoßen, vermute ich. Das macht er immer, wenn er grob sein will, uns demütigen will: Er zieht uns zu sich heran, schüttelt uns und stößt uns dann so heftig von sich weg, dass wir in den Dreck fallen. So, dass wir hinfallen wie Kleinkinder, die Laufen lernen: Dreck im Gesicht und an den Händen, das Gesicht nass von Tränen oder Schnodder, beschämt und kleinlaut. Skeetah ist stocksteif,so gerade wie der Hammer, der an seiner Seite hängt. Daddy will ihn wegstoßen, aber er lässt nicht schnell genug los; es ist, als seien seine Hände taub für das, was sein Gehirn ihnen befiehlt, und so halten sie Skeetahs Schultern ganz fest. Er schüttelt Skeetah.
    »Lass mich los, Daddy.« So leise, dass ich es kaum hören kann.
    China steht in der Schuppentür. Sie knurrt nicht. Sie bellt nicht. Sie steht nur da, den Kopf zur Seite geneigt, die Vorderbeine breit und fest auf dem Boden; ihre Brüste verleihen ihr Masse, der Rest von ihr verschwindet im Dunkel des Schuppens. Sie ist ganz ruhig.
    »Lass los!«
    »Alles tu ich!« Daddy stößt Skeetah mit solcher Kraft weg, dass er selbst davon nach hinten kippt, aber er kann sich gerade noch fangen.
    Skeetah stolpert rückwärts, landet aber in der Hocke, immer noch auf den Füßen. China stürmt los. Skeet hält den Hammer wie einen Schläger.
    »Warte«, ruft Skeetah. »Warte!« Seine Stimme klingt nass. China bleibt wie angewurzelt stehen. Sie ist eine der abblätternden Statuen auf dem Friedhof neben dem Park, ein vom Regen streifig gewordener Engel, der hell leuchtet.
    »Soll sie doch«, sagt Daddy, der jetzt die Arme hängen lässt. »Kann mir nur recht sein.«
    Skeetah bewegt sich langsam seitwärts auf China zu, legt den Hammer ab und seine Hand auf ihre Schnauze. Sie ist Marmor unter seinen Fingern.
    »Ich würde mit ihr rausfahren und sie erschießen.«
    »Nein.«
    »Das Tierheim anrufen. Dann kannst du zusehen, wie sie sie wegbringen.«
    Skeetah hat den Arm um Chinas Rücken und Bauch gelegt,seine Hand ist irgendwo zwischen ihren Brüsten verschwunden. China dreht sich nicht zu ihm, um ihn zu lecken. Sie beobachtet immer noch Daddy. Skeetah reibt mit der anderen Hand ihre Brust, streicht mit breiten Abwärtsbewegungen immer wieder über ihr Fell.
    »Ich versuch uns zu retten«, sagt Daddy. Skeetah hockt sich hin. »Ihr müsst endlich lernen, mich zu schätzen. Hast du gehört?«
    Die Nachtkäfer antworten sssssssssicher. Skeetah ignoriert Daddy, streichelt China, blickt zwischen den beiden hin und her.
    »Bring die vertammten Bretter wieder da hin, wo du sie herhast. Kapiert?«
    Chinas Schwanz senkt sich, aber ihre Ohren sind immer noch abwärts am Schädel angelegt wie ein Federkranz. Skeetah spricht flüsternd und murmelnd mit ihr.
    »Hast du gehört?«, schreit Daddy und macht einen halbherzigen Schritt auf Skeet zu. Chinas Schwanz richtet sich auf.
    »Ja«, sagt Skeetah. Er hat sich zu Daddy gewandt, schaut ihm direkt ins Gesicht, mit ruhiger, offener Miene, nur sein Mund bewegt sich ganz leicht, als er spricht. »Ja.«
    »Gut.« Daddy tritt zurück. Skeet lehnt sich an China, um sie zurückzuhalten. Daddy dreht sich um und geht zum Haus. Er schlurft seitwärts, langsam und zielstrebig, beobachtet Skeet und China, die zusehen, wie er sie mit dem abgelegten Hammer und dem umgefallenen Zwingerrahmen allein

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