Vor dem Sturm (German Edition)
du?«
»Dann machs, aber schnell.« Chinas Schwanz bewegt sich ruckartig im Schlaf, dann liegt sie wieder still. »Bevor sie aufwacht.«
»Okay.« Junior hebt den roten Welpen auf und setzt ihn neben seine Schwester. Seine Lippen teilen sich über den Zähnen, und jetzt lächelt er richtig.
»Beeil dich«, flüstere ich. Ich möchte so schlafen wie China, mich in den kühlen Sand im Schuppen legen.
»Geht klar«, flüstert er. Der schwarz-weiß gescheckte windet sich ein bisschen in seiner Hand, wabbelt blind wie ein Regenwurm herum, ehe er ihn absetzt.
»Du darfst sie aber nicht noch mal anfassen«, hauche ich. Ein Muskel in Chinas Seite zuckt: ein weißes Laken auf der Wäscheleine, das im Wind flattert. »Hörst du?«
Junior nimmt den letzten Welpen, den gestromten Kümmerer, am Bauch hoch. Sein Daumen und sein Mittelfinger berühren sich, als er den Brustkorb umfasst. Der Welpe ist dünn, hat kein Milchfett angesetzt wie die anderen. Junior hebt ihn an seine Nase; von so nah dran sieht sein Fell aus, als bewege es sich. Flöhe bahnen sich ihren Weg durch die flaumigen Haare. Sein Kopf fällt zur Seite, und er reißt ihn herum in die andere Richtung. Ich bin erstaunt, dass sein Hals so viel Kraft hat, obwohl er nur eine Kinderhand voll Fell, Haut und Knochen ist.
»Hörst du?«
»Jo.« Junior rührt sich nicht.
»Setz ihn ab!«, zische ich. Ich würde Junior am liebsten ohrfeigen, aber ich weiß, das würde China wecken. Junior schnüffelt an dem Welpen, und ich schwöre, wenn ich nicht hier wäre, würde er ihn ablecken. China gibt ein klagendes, schläfriges Knurren von sich.
»Verdammt noch mal!« Ich packe seinen stockdürren Arm hart. Grabe meine Fingernägel hinein. Hoffe, dass er Angst in meiner Hand spürt.
»Ist schon gut, Esch!«, jammert Junior und entzieht sich mir, den Welpen immer noch im Arm. China tritt mit den Pfoten.
»Mach schon!« Ich grabe tiefer. Ich schwitze, meine Achseln sind heiß. Ich brenne. »Junior!«
»Na gut.«
Juniors Lächeln ist verschwunden. Seine Mundwinkel verziehen sich angespannt und entblößen das untere Zahnfleisch. Das ist sein Weingesicht. Sein Rücken ist schmal und hart wie ein Lineal. Er beugt sich vor und lässt den Welpen aus seiner Hand rollen. Er purzelt auf die Seite, bleibt liegen und schiebt den Kopf über den Boden. Junior zieht seinen Arm weg, legt ihn an seine Brust und schaut mich nicht an. Stattdessen starrt er auf die Welpen und flüstert wütend durch seine verzogenen Lippen.
»Das tat weh, Esch. Das hat echt wehgetan.«
»Und wenn Skeet reingekommen wäre? Wenn China aufgewacht wäre?«
Meine Hände fühlen sich schwach an, jetzt, da sie Junior nicht mehr festhalten. Als er noch ein Baby war, haben Randall und ich ihn uns auf dem Sofa hin und her gereicht, ihn gefüttert, seinen Bauch massiert, ihm den Kopf gestreichelt. Randall meinte, er würde die Stirn runzeln wie Mama.
»Wegen dir blute ich.« Junior spuckt in seine Hand und reibtdamit über seinen Unterarm, wo ich rote Striemen in der Form von zwinkernden Augen hinterlassen habe. »Du hättest es nicht so doll zu machen brauchen.«
»Du hörst ja nicht«, sage ich. Als er klein war, hat Junior nie geweint.
»Trotzdem.« Er reibt sich mit der bespuckten Hand über die Augen.
»Man kann nie wissen«, sage ich. China schnaubt erneut im Schlaf. »Das weißt du doch, oder Junior?« Meine Hand wedelt in Chinas Richtung. »Du kennst sie doch.«
China schlaf-knurrt noch einmal, hoch und scharf. Ich berühre Junior am Rücken, streiche über die Murmelkette seiner Wirbelsäule. Er entzieht sich, hält sich immer noch den Arm und schaut mich an. Seine Augen sind wie das dunkle Herz einer Auster. Ich drehe mich zu China um, will sichergehen, dass sie noch schläft, will sichergehen, dass ihre Welpen sich nicht zu weit entfernen, will sichergehen, dass mein T-Shirt immer noch nicht am Bauch anliegt. Ich bin wieder müde. Junior setzt sich im Sand auf seine Beine, weit genug weg von mir, dass ich ihn nicht packen kann, aber doch neben mir. Ich hatte erwartet, dass er unter das Haus laufen würde.
»Tut mir leid«, sage ich.
Junior beugt sich vor, stützt sich im Sand auf die Arme und reckt den Po in die Luft. Er nickt in Richtung der Welpen. Als er noch ein Baby war, ist er so immer eingeschlafen, auf dem Sofa, oder im Bett bei Randall. Die Welpen paddeln wieder blind von China weg, so als schwämmen sie durch tiefes Wasser, auf Junior zu. Ich frage mich, ob er sich wohl heimlich in
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