Vor dem Sturm (German Edition)
das ist sein Gebet.
»Das kannst du nicht wissen«, sagt er.
»Es haben sich nicht immer alle gegen dich und China verschworen, Skeet.«
Er kriecht über den Boden und wedelt vor Chinas Gesicht mit der Hand. Sie folgt ihm mit den Augen, seufzt so tief, dass sie auf ihrem Linoleumfußboden eine Staubwolke aufwirbelt.
»Hat auch keiner gesagt, Esch.« Skeetah legt seine Hand auf Chinas Nacken, so vorsichtig, wie Mama immer die Kekse ausdem Ofen gezogen hat. China atmet noch einmal tief ein und stößt einen der Welpen beiläufig von sich weg. »Gut so, meine Kleine.«
»Sie braucht wahrscheinlich bloß was zu essen.«
»Ich darf sie nicht verlieren.« Skeetahs kahler Kopf sieht schlammig aus nach der Nacht auf dem sandigen Schuppenfußboden. Mamas Arme sahen immer so aus, wenn sie auf dem kleinen Gartenbeet, das sie hinter dem Haus angelegt hatte, Grünzeug erntete. Das Beet war umzäunt mit Holzlatten von einem alten Babybett, das Daddy am Straßenrand gefunden hatte. Es ist gefährlich, was Skeetah sagt, dass er auch nur denkt, China könnte sterben. Leichtfertig, es laut auszusprechen, es zu beschwören und dadurch möglich zu machen.
»Warum nimmst du nicht ein Bad?« Ich denke an die Schnittwunden an seiner Taille, sehe, wie sie unter Randalls altem Verband rot werden und sich entzünden. Wir fangen uns hier auf dem Pit so leicht Geschwüre ein, wie wir früher die streunenden Hunde eingefangen haben, und ich weiß genug darüber, um zu kapieren, dass es sich um bakterielle Infektionen handelt. Er wird nicht in die Klinik gehen wollen, und Daddy wird ihn auch nicht hinbringen wollen, wenn es so weit kommt. »Wegen deinem Bauch.«
»Mir geht’s gut.« Er streichelt Chinas Kopf im Rhythmus von Daddys Hammerschlägen.
»Du musst beim Kampf sauber sein. Gesund. Und sie auch. Wenn du verletzt bist, was soll sie dann machen?« Das dringt zu ihm durch. Berührt seinen Stolz. Er hört auf, China zu tätscheln, lässt seine Hand auf dem warmen Hügel ihres Schädels ruhen. Sie seufzt und stößt einen weiteren Welpen weg. Das Dreieck aus Sonnenlicht auf dem Fußboden verschwindet kurz und erscheint erneut, von Wolken verdeckt und dann wieder befreit; als Skeetah zu mir hochschaut, blinzelt er.
»Na schön. Pass auf sie auf.« Skeetah steht auf, geht zur Tür und schubst Junior im Vorbeigehen so doll, dass er fast von der Tonne fällt.
»Mistkerl!«, ruft Junior.
»Und pass auf, dass Junior nichts anfasst.«
China tritt kraftlos nach den Welpen. Sie rutscht auf dem Rücken entlang, um von ihnen wegzukommen, und hört erst auf, sich zu winden, als sie mit dem Rücken an der Wand liegt. Die Welpen geben quiekende Laute von sich, recken die Pfoten in die Luft, rollen hilflos auf die Seite. Ihre Augen sind abgeschnittene Fingernägel. Es sind vier: der weiße China-Klon, der rote, der wie Kilo aussieht, der gestromte Kümmerer und der schwarz-weiße mit dem gemusterten Fell. Sie kullern von China weg. Ich hocke mich in die Türöffnung, mein Bauch drängt nach vorne und drückt gegen meine Oberschenkel und Knie; ich ziehe mein T-Shirt weg von meinem Bauch. China beäugt uns alle träge, legt dann den Kopf auf die Pfoten, schließt die Augen und schläft ein, soweit ich es beurteilen kann.
»Esch?«
»Was denn, Junior?« Die Welpen rudern auf dem Boden herum. Junior springt von seinem Thron, landet dumpf neben mir auf der Erde und hockt sich hin.
»Sie müssen wieder zu China«, sagt er. Er legt die Arme auf die Knie und lässt die Hände baumeln, aber selbst dann sieht es noch so aus, als wolle er nach ihnen greifen. »Sie gehn sonst durch die Tür raus.«
»Wie solln sie das denn machen, wenn wir hier sitzen?«
»Durch die Lücken.« Junior bewegt eine Hand zwischen uns. »Hier.«
»Fass sie nicht an.« Ich ziehe wieder an meinem T-Shirt. Juniors Atem riecht nach Erdnussbutter. Ich bin so müde; es durchströmtmich wie heftiger, blind machender Regen. Chinas Ohr zuckt im Schlaf. Ich wünschte, sie könnte sprechen.
»Ach Esch!« Junior beugt sich vor, bleibt auf den Füßen hocken und neigt sich langsam den Welpen entgegen. »Ich setz sie nur wieder zurück. Siehst du?« Er fasst den weißen am Nacken, greift mit seiner ganzen Hand ins Fell, und schiebt ihn dreißig Zentimeter zurück, sodass er näher an China ist. Sie atmet schläfrig. Junior dreht sich lächelnd zu mir um. Seine Lippen bleiben über den Zähnen geschlossen, über den zahlreichen Lücken und den Fäulnisspuren in den Spalten. »Siehst
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