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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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in einem Garten voller Rhododendren und wirkt selbst wie eine verwelkte Blüte. Das Haus von Rich Boy Franco ist grün, und aus irgendeinem Grund hat jemand aus seiner Familie die unteren sechzig Zentimeter der Baumstämme im Garten weiß angestrichen. Zwei ältere Jungs namens Joshua und Christophe haben ein grau-blaues Haus mit einer eingebauten Veranda an der Seite und wild wuchernden Bougainvilleas unter den Eichen im Garten, und dann kommt Mudda Ma’ams ins Beige verblichenes gelbes Haus, das von Glyzinien überwachsen ist. Mannys Wohnwagen steht auf der anderen Seite von Bois Sauvage, abseits von diesem Teil des Viertels: die kleine katholische Kirche, der unordentliche Friedhof, auf dem Skeetah den Rasen gemäht hat, der öffentliche Park mit dem Sandparkplatz, der in Bois den Eindruck von Ordnung und Anstand aufrechterhalten will. Was ihm nicht gelingt. Der Wald verwischt die Grenzen des Parks. Akazienbäume wölben sich wie Basketballspieler mit langen anmutigen Armen darüber und werfen rosafarbene Blüten ab, als wären es Bälle. Kiefern wachsen im Graben am Parkrand, neben den netzlosen Basketballkörben, unter dem zerfetzten Sonnendach des lückenhaften hölzernen Klettergerüsts, das langsam im Sand versinkt, neben den steinernen Picknicktischen, deren Ecken vom Regenrund geworden sind, und sogar mitten auf dem grasüberwucherten Baseballfeld. Wartungsarbeiter, meistens Sträflinge aus dem Kreisgefängnis in grün-weißen Overalls, erscheinen einmal im Jahr und versuchen halbherzig, den sich ausbreitenden Wald zurückzuschneiden, das blühende Gras und die Kiefernsetzlinge abzumähen. Die Wildnis von Bois Sauvage schert sich nicht darum, und wir sind der Verwahrlosung ein weiteres Jahr ausgeliefert.
    Junior fährt jauchzend von mir weg, das Gummi seiner unzureichend aufgepumpten Reifen klingt wie eine Säge, die sich durch einen Baumstamm frisst. Er schießt abwärts in den Graben und wieder hinaus, sodass sein Rad kurz durch die Luft fliegt, ehe er wieder landet, mit einem solchen Satz, dass er beinahe auf den nichtvorhandenen Sattel gespießt wird. Er schaut sich um, voller Stolz, und fährt dann schlingernd in den Park hinein. Skeetah zieht immer noch entschlossen China an der Leine hinter sich her. Sie lässt beschämt Kopf und Schwanz hängen. Er folgt Junior nicht in den Park zu den Basketballkörben, wo Leute spielen.
    »Was machst du?«
    »Ich zwinge sie zum Laufen, damit es rauskommt.«
    »Ihr seid schon drei Kilometer zum Park gelaufen, meinst du nicht, dass sie es längst ausgeschwitzt hat?«
    »Nein.« Skeetah schnappt sich Chinas Kette und fängt an zu traben, weg von mir, in Richtung Friedhof. Die Hitze ist eine nasse blaue Decke. Ich drehe mich um und folge Junior zum Basketballplatz. Auf der kleinen, windschiefen Tribüne unter den Bäumen sitzen Leute; ich sehe lange, dunkle Schatten um ihre Gesichter, lange, glänzende, an den Oberschenkeln gekreuzte Beine, kurze Shorts: zwei Mädchen. Auf Wolken folgt Sonne, und die Gesichter werden deutlich: Shaliyah und ihre Cousine Felicia. Ich bleibe, wo ich bin, am Rand des Feldes, auf der anderen Seite des Schattens unter der Eiche und der Tribüne, undsetze mich ungeschickt ins Gras. Es fühlt sich an, als würde ich hinfallen.
    Manny ist auf dem Platz, macht einen Spin Move und entfaltet sich dann wie eine Luftschlange, um den Ball in den Korb zu werfen. Ich frage mich, ob sie seine Verletzung sehen kann, so wie ich, ob sie sie daran erkennen kann, wie sein Arm zurückschnappt, wenn er einen zu schnellen Korbleger macht, so als könne er ihn nicht weit genug ausstrecken. Ich frage mich, ob sie sieht, wie er den Arm beim Rennen vor der Brust hin und her schwenkt, so als hätte er immer noch die Hoffnung, die Verletzung zu überwinden, sie zu heilen, seinen Körper wieder so makellos und vollkommen zu machen, wie er vorher war. Ich frage mich, ob sie bemerkt, dass er den Arm beim Sex bevorzugt, dass er das meiste Gewicht auf die linke Seite verlagert, sodass er immer nah an meinem rechten Ohr ist, dort atmet. Eine Ameise krabbelt über meinen Fußknöchel; sie schnuppert mit ihren Fühlern. Ich wische sie weg ins stachelige Gras. Schweiß ist in mein T-Shirt gesickert, zwischen meine Brüste, die sanft pulsieren. Sie tun jetzt ständig weh. Meine Haut fühlt sich an, als würde ihre dunkle Farbe die Hitze anziehen, deshalb schaue ich unwillkürlich zu der schattigen Stelle hinüber, sehe, wie das Stückchen Metall, das Shaliyah an ihrem Arm

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