Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
Vom Netzwerk:
wusste, dass er kommt«, sagt Daddy.
Wie immer, wenn es schlimm kommt
, wiederhole ich.
Eine Frau
. Er schüttelt den Kopf und betrachtet stirnrunzelnd den Stall. »Wir werden was ausprobieren.«
    »Was denn?«
    »Setz dich auf meinen Traktor, und ich lotse dich zu dieser Wand hier.« Daddy zeigt auf die längere Wand. »Und dann reißen wir das verdammte Ding nieder.«
    Randall hievt noch einmal. Junior hat sein Gesicht auf Randalls Schulter gelegt.
    »Ich kann das Teil nicht fahren.«
    »Du brauchst bloß den Gang einlegen und aufs Gaspedal zu drücken. Wie man lenkt, weißt du ja.«
    »Müssen wir das unbedingt im Dunkeln machen?«
    Daddy tritt zur Seite, und ich kann seinen Kopf sehen, der kaum bis zu Randalls Schulter reicht. Sein Gesicht sagt, er lächelt, aber seine Stimme sagt Nein, tut er nicht.
    »Was soll das heißen, müssen wir es unbedingt abends machen? Das Tiefdruckgebiet draußen im Golf ist zu einem Hurrikan geworden. Wir haben nich genug Holz, um die Fenster zu vernageln, und du sitzt hier und fragst, wieso wir das abends machen müssen?«
    Randall schweigt. Junior rutscht wieder ab.
    »Er ist unterwegs nach Florida. Er kommt schräg, und was glaubst du, wen er treffen wird?«
    »Florida«, seufzt Randall. »Flauen sie nicht normalerweise ab, nachdem sie was getroffen haben?« Randall hievt Junior, der versucht, sich mit den Füßen an Randalls Taille zu klammern, nicht wieder hoch. Junior gleitet ab. Sein Kinn verschwindet hinterRandalls Schulter, und sein Kopf sinkt bis zu Randalls Schulterblättern. »Ich sag ja nur, dass du ihn besser fahren kannst als ich.«
    »Das weiß ich selbst.« Daddy tut das Kompliment ab. Normalerweise funktioniert es, wenn Randall ihm eins macht. »Aber ich kann nicht sehen, ob er im richtigen Winkel trifft. Wenn du es machst, kann ich dir sagen, wie du reinfahren sollst, damit das ganze Ding auf einmal umfällt.«
    Juniors Füße sind auf der Höhe von Randalls Knien. Junior landet im Sand und kann sich gerade noch abfangen. Ich würde ihn am liebsten in den Schuppen rufen, denn ich weiß, dass er Daddy auf die Nerven geht und er davon nur noch böser wird, aber ich tue es nicht. Er gibt heute Abend den Patroklos neben Randalls Achilles.
    »Komm schon.« Daddy läuft in die Dunkelheit hinein, ohne abzuwarten, ob Randall ihm folgt. Randall geht um die Ecke, die Hände im Nacken verschränkt, und schüttelt den Kopf. Junior folgt ihm auf dem Fuße.
    Skeetah lässt China von der Kette und schlingt sich das Metall immer wieder um Unterarm und Schulter, bis es einen soliden silbernen Flügel bildet. China trottet in ihre Ecke und kippt um, mit einem Schlag, anstatt sich wie sonst zuerst anmutig hinzusetzen und dann langsam über die Flanken und die Seite abzurollen. Sie legt den Kopf auf das Linoleum, das Skeetah offenbar sauber gefegt hat, denn sie wirbelt keinen Staub auf. Skeetah geht zur Tür, legt die Kette auf das Ölfass, rückt sie zurecht, befingert die einzelnen Glieder. Er erträgt es nicht, China anzuschauen.
    »Meinst du, es hat geholfen?«, fragt Big Henry.
    »Weiß ich nicht«, sagt Skeetah.
    »Vielleicht is sie bloß müde«, sage ich zu den beiden, weil ich hoffe, dass diese Worte Skeetahs Stirn glätten, die tiefen, knotigen Furchen dort entwirren. Dass sie ihn dazu bringen, nicht mehr auf seine Hände zu starren. Big Henry tritt von einem Beinauf das andere und lehnt sich schließlich an den Türpfosten. Bei der Bewegung werden die Heuschrecken, Grillen und Grashüpfer laut, sie klingen verärgert.
    »Du bist ziemlich lange mit ihr gerannt.«
    »Ja.« Skeetah spielt mit den Kettengliedern, wie er früher mit Leber, Haferflocken oder Roter Beete aus der Dose gespielt hat. Das war, bevor er älter wurde, bevor seine Knie muskulös wurden, seine Schultern knotig und er anfing, sein Essen in sich hineinzuschaufeln – ob Limabohnen, Pilze oder Gekröse –, als wäre ihm ganz egal, was er aß.
    »Und sie stillt noch. Sie ist bestimmt nur müde.«
    Daddys Traktor brummt in der Dunkelheit, schüchtert die Insekten ein. Er rollt über Äste, ausrangierte Plastikmülleimer, abgerissene Kotflügel. Sie zerbersten krachend. Daddy hinterlässt Trümmer. Randall und Junior gehen hinterher, stolpern über den Müll. Skeetah schüttelt den Kopf.
    »Scheiße, er wird sie die ganze Nacht draußen behalten.« Skeetah holt Chinas Schüssel von hoch oben auf dem Regal, wo er sie versteckt hat; sie steht so hoch, dass er sich auf die Zehenspitzen stellen muss. Randall oder

Weitere Kostenlose Bücher