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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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»Okay.« Ich schaue zu Boden, als ich aufstehe, als ich mich vom Platz abwende und weggehe. Ich kann der Versuchung, mich umzudrehen, kaum widerstehen. Ich sehe nicht mal, dass Junior neben mir auf seinem Fahrrad angerast kommt und jauchzend einen Schlenker auf mich zu macht. Er lacht. Unter den Bäumen auf dem Sandparkplatz steht Javons Wagen. Er strahlt wie der beginnende Sonnenuntergang. Marquise lehnt an seiner Stoßstange. Randall rennt hinter uns zu ihnen hinüber, legt sich halb auf Big Henrys Kühlerhaube und die Windschutzscheibe, sodass sein nasser Rücken wie Pudding aussieht. Big Henry und ich setzen uns ins Auto, bei offen stehenden Türen, ein Bein draußen, Köpfe zurückgelehnt. Big Henry spielt Outkast.
    Randall macht Witze, und Big Henry lacht. Als die Sonne an den Rand der Baumkronen stößt, brechen wir auf, und Manny ist inzwischen mit seinem Mädchen auf dem Platz. Sie spielen zu zweit, einer gegen einen, und er neckt sie, indem er ihr den Ball aus der Hand schlägt, sodass er über den ganzen Platz hüpft. Ihr Lachen wird vom sanfter werdenden rosa Wind davongetragen. Big Henry macht seine Tür zu. Ich knalle meine zu, und Randall rutscht schnell rüber auf die Beifahrerseite der Windschutzscheibe. Junior hält sich oben am Türrahmen fest, immer noch auf seinem Fahrrad stehend, und Big Henry greift durchs Fenster und legt seine große Pranke auf Juniors Hand. Big Henry gibt Gas und schaltet dann runter, und so folgen wir Skeetah und China, die jetzt beide rennen, schlotzend schwarz und gleißend hell im Licht der untergehenden Sonne und der jagenden Wolken, den ganzen Weg bis nach Hause.
    Die Welpen fiepen nach Milch. Sie haben Daddy bis in den kiefernschwarzen Abend hinein auf den Stall einhämmern hören, den er Nagel für Nagel, Brett für Brett auseinandernimmt. Sie räkeln und reiben sich aneinander. Skeetah hebt einen nach dem anderen am Nackenfell hoch und setzt sie vor China ab, die immer noch die Nase auf dem Boden hat. Er hat ihr die Kette noch nicht abgenommen; sie liegt schwer und zackig wie eine Fahrradkette auf einem Haufen im Sand neben China. China atmet durchs Maul, aber mit jedem Ausatmen scheint etwas Nasses hinten in ihrem Hals stecken zu bleiben. Sie nickt bei jedem Atemzug. Ihre Beine sind still, aber der Schweiß, den Skeetah ihr entlockt hat, erfasst den roten Staub auf ihrem Fell und kanalisiert ihn, sodass er wie Wasserfarbe an ihr herunterläuft. Unter der Glühbirne sehen meine Arme schwärzer und schmutziger aus als je zuvor. Ich binde mein Haar mit einer Strähne von unten zurück, die ich um die restlichen Haare winde und festknote. Ich will es aus dem Gesichthaben. Mama hatte unrecht: Ich besitze keinen Glanz. Ich besitze gar nichts.
    »Randall!«, schreit Daddy. Es ist seltsam, die Nacht ohne sein Hämmern zu hören.
    »Jo«, sagt Randall von der Schuppentür aus. Big Henry steht neben ihm. Junior hängt auf Randalls Rücken, packt seine Schultern, seinen Bizeps, verliert den Halt und rutscht an dem Schweiß ab. Skeetah schaut zur Tür und schüttelt bei Daddys Ruf den Kopf. Chinas Kette hängt locker in seinen Händen. China sieht aus, als fräße sie Erde.
    »Komm mal her.«
    Randall seufzt, packt Juniors Unterarme, beugt sich vor und hievt ihn wieder hoch.
    »Ja, ja.«
    Ich gleite auf seinen Platz in der Tür neben Big Henry, damit ich alles im Blick habe. Junior leckt sich die Finger, während Randall losgeht, und steckt sie in Randalls Ohren.
    »Iih. Ich hab doch gesagt, du sollst das lassen.« Randall reibt sich die Ohren, aber ich weiß, dass er das Nasse nicht rauskriegt. »Ich setz dich gleich ab.«
    »Nein, Randall, bitte nicht.«
    »Dann hör auf. Das ist total eklig.« Randall bleibt stehen, verschränkt die Arme unter Juniors Po zu einem Sitz und hievt ihn noch einmal hoch. »Was denn?«
    Daddy hat erst eine Wand des Hühnerstalls plattgemacht. Die Hühner laufen benommen und verwirrt um seine Füße, offenbar verwundert, weil er ihr Haus auseinandernimmt, obwohl sie seit Jahren nicht mehr darin gesessen oder geschlafen haben. In dem Zwielicht der Glühbirne im Schuppen und den Lichtkegeln von Daddys Autoscheinwerfern sehen sie schwarz aus. Daddy lässt den Hammer fallen, und die Hühner stieben auseinander, flattern auf wie Blätter im Wind.
    »Der Sturm hat jetzt einen Namen. Wie immer, wenn es schlimm kommt, ist es eine Frau. Katrina.«
    »Es gibt einen neuen Sturm?«, fragt Randall.
    »Was glaubst du, wovon ich die ganze Zeit geredet hab? Ich

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