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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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Gras ausrollen und kommt zu mir herüber, ehe er die Hände auf die Knie legt. Schweiß tropft wie Wasser von ihm ab, und er ist so atemlos wie ein Pferd. Big Henry landet neben mir im Gras, anmutig wie ein Reiher, lässt sich dann nach hinten fallen und legt einen Arm über seine Augen, weil die Sonne hinter den Wolken hervorkommt und uns blendet.
    »Gut gespielt«, sagt Randall.
    »Danke«, sagt Big Henry keuchend.
    »Was zum Teufel macht Skeet da?« Randall spuckt beim Sprechen Schweiß.
    Manny geht zur Tribüne hinüber, auf Shaliyah zu.
    »Rennt mit China.«
    »Das sehe ich. Aber was soll das?«
    »Er hat ihr gestern eine Wurmkur verpasst und meint, heute wär sie krank.«
    »Echt?«
    »Ich glaub, er hat Schiss, dass er ihr zu viel gegeben hat.«
    Randall verzieht den Mund, als äße er eine saure Weintraube; er kaut auf der Innenseite seiner Wange.
    »Was kann er da machen.« Es ist eine Feststellung. Ich zucke die Achseln und schaue zur Tribüne. Shaliyah hat Manny anscheinend einen Sportdrink gekauft, denn er steht unter der Eiche und hält die Flasche schräg, damit ihm die Flüssigkeit direkt in den Hals läuft. Die Sonne schimmert durch die Eichenblätter und trifft hier und da auf seine Haut, sodass sein ganzer Körper so mosaikartig glänzt wie die Glasnarbe in seinem Gesicht.
    »Was?«
    »Was kann er da machen?« Diesmal stellt Randall es als Frage.
    »Nichts«, sagt Big Henry. Er hat die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt. Er schaut mich an. Er ist eigentlich nicht fett, abersein Dicksein ist überall zu merken: Seine Hände sind wie Baseballhandschuhe, sein Kopf wie eine Melone, seine Brust wie ein Tonnengrill, seine Beine wie Äste, die aus einem unbezwingbaren Stamm herauswachsen. »Kann man gar nix machen«, sagt Big Henry. Ich habe das Gefühl, er kann durch mein T-Shirt hindurchgucken und meine geschwollenen Brüste sehen, meinen Bauch, der sich im Sitzen ein bisschen zu sehr vorwölbt und mehr als fett aussieht. Er grinst, so zaghaft und sanftmütig wie er sich auch bewegt, aber es wirkt wie ein Nachtrag.
    »Tja, Scheiße.« Randall faltet sich zusammen und wischt sich das Gesicht an seinen Basketballshorts ab. »Scheiße.«
    »Bist du fit für das Summer-League-Spiel morgen?«
    »Jepp.« Randalls Stimme wird von den Shorts gedämpft; durch den Stoff klingt sie zittrig.
    »Zahlen sie dieses Jahr dein Basketball-Camp?«
    »Weiß nich. Trainer sagt, entweder ich oder Bodean.«
    »Nervös?«
    »Sie nehmen nur einen, und ich mach in jedem Spiel doppelt so viel Punkte wie Bodean. Ich arbeite härter als er.«
    »Denkst schon an die ganzen Talentscouts im Camp, oder?«, sagt Big Henry lachend.
    »Schätze, ich seh in einem schwarzen Trikot am besten aus.« Randall lehnt sich zurück und legt den Kopf in die Hände. »Oder in Hellblau.« Randall lächelt, aber ich weiß, dass er es ein Stück weit ernst meint, dass er bereits weiß, auf welches College er am liebsten will.
    Big Henry stützt sich auf die Ellbogen. Manny setzt sich neben Shaliyah auf die Tribüne, lehnt sich an sie und reibt seine schweißnasse Schulter an ihrer. Sie kreischt und will aufspringen, aber er zieht sie an sich. Sie windet sich und kreischt noch einmal, lachend. Die Sonne scheint auf mich nieder, verbrennt mich, lässt den Schweiß, das Wasser und das Blut verdampfen, bis nur nochmeine Haut, meine vertrockneten Organe und morschen Knochen übrig sind: eine Rosine von einem Körper. Wenn ich könnte, würde ich in mich hineingreifen und mir das Herz und den kleinen nassen Samen, aus dem das Baby wird, herausreißen. Die beiden als Erstes loswerden, damit der Rest nicht so wehtut.
    »Von dem Gras kriegst du Juckreiz.«
    »Weiß ich«, sagt Randall. Er dehnt das Gummiband seiner Shorts. »Wasser.« Er geht über das Gras zum Wasserhahn – geschmeidig, groß und schwarz.
    »Ich weiß, dass dir hier ganz schön heiß ist.« Big Henry berührt meinen Handrücken mit zwei Fingern und drückt ihn.
    »Ja.« Manny reibt den Schweiß von seiner Stirn an Shaliyahs Wange. Ihr Kreischen wird zu einem lauten Aufschrei. Ihre Zähne sind unglaublich weiß.
    »Willst du dich in mein Auto setzen? Es steht im Schatten. Die Fenster sind offen.« Big Henry schaut zur Tribüne hinüber, rollt sich auf die Seite und steht mit einer einzigen schnellen Bewegung auf. Manchmal vergesse ich, dass er mal Athlet war.
    »Okay.« Die Wolken ziehen jetzt langsamer, bleiben in der Ferne über den Baumwipfeln hängen, als hätten sie genug von der Sonne.

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