Vor dem Sturm (German Edition)
Big Henry hätten sie erreichen können, ohne sich auch nur zu recken. Daddy lässt den Traktor laufen, schwingt ein Bein über das andere und ist unten. Skeetah füllt Chinas Fressen in die Schüssel und stellt es auf die Tonne. »Warte kurz.«
Big Henry rückt zur Seite, um Skeetah durch die Tür zu lassen, dann lächelt er mir zu. Der Mond scheint wie eine Neonlampe hinter seinem Kopf. Ein heißer Wind weht, und die Haarsträhnen, die sich losreißen und mein Gesicht berühren, fühlen sich an wie losgelöste Spinnweben, die umherschweben. Randall steigt auf den Traktor und setzt sich. Junior zieht sich hoch und klettert über das Metall.
»Was soll das?«, fragt Daddy Junior.
»Ich will Randall helfen.«
»Nein. Komm runter.«
»Ich bin ihm nicht im Weg, versprochen.«
»Komm runter.«
»Bitte.«
»Ich hab Nein gesagt.«
Randall rutscht auf dem Sitz nach vorne und zeigt hinter sich.
»Er kann hinter mir sitzen. Er stört nicht.«
Junior lehnt sich Daddy zum Gefallen zurück, damit er denkt, er wolle gehorchen, wolle abspringen, aber er hält trotzdem noch den Sitz fest und klettert nicht nach unten.
»Bitte, Daddy.«
Daddy räuspert sich und spuckt aus. Sein T-Shirt hat ein klaffendes Loch am Nacken und ist am Saum ganz wellig, so als hätte jemand daran gezerrt.
»Beeil dich«, sagt Daddy.
Daddy winkt Junior in den Traktor, und Junior klettert hoch, gleitet hinter Randall auf den Sitz, schlingt die Arme um Randalls Taille mit dem erwartungsvollen Blick eines Kindes, das gleich Karussell fahren wird. Skeetah kommt mit einer Tasse voll irgendwas durch die Hintertür des Hauses gestürmt. Motten schwirren wie aufstiebende Asche um seinen Kopf. Er geht an mir vorbei, und ich rieche Bacon-Fett.
»Sie muss etwas fressen«, sagt Skeetah, als er das Fett, das die Farbe von Kiefernharz hat, über Chinas Futter sprenkelt. China schaut ihn an und wendet sich ab. Er schiebt ihr die Schüssel hin, aber sie beachtet ihn nicht. Seine Augen sind Dunkelheit in seinem Gesicht. »Komm schon.«
China schneidet ihm eine Grimasse, zeigt Zähne und rotes Zahnfleisch. Die Welpen rutschen über das Linoleum auf sie zu, als röchen sie die Milch durch ihre Zitzen, durch ihr rosiges Fleisch. Ihre Nippel sehen aus wie ausgespucktes Kaugummi.
»Komm schon.« Daddy winkt den Traktor vorwärts. »Das ist die Ecke. Genau hier.«
»Also dann«, flüstert Skeetah und beachtet die kriechenden Welpen gar nicht, als er Chinas Schüssel so nah zu ihr hinschiebt, dass sie ihren Kopf hineinlegen könnte. Die Linien zwischen Skeets Muskeln sehen aus, als seien sie mit Kohle gefüllt.
»Also dann!«, ruft Daddy. »Fahr jetzt genau geradeaus, bis hierher.« Randall lässt den Motor aufheulen, und der Traktor macht einen Satz. Juniors Kopf wird nach hinten geschleudert, aber er hält sich fest. Man hört Holz knacken, und dann ein metallisches Schaben, als Randall erneut aufs Gaspedal steigt und der Traktor einen weiteren Satz nach vorn macht. »Stopp! Du hast Maschendraht im Kühlergrill.«
Daddy zieht an dem Draht, dann an Kühlergrill und Haube. Er reißt, beugt sich so weit vor, dass sein Gesicht fast im Grill steckt, entwirrt den Draht und zieht dann erneut. Randall macht nichts.
»Los jetzt«, fordert Skeetah China auf.
Chinas Ohren liegen flach wie Plastikmesser an ihrem Kopf an, und ihr Maul ist rosa und feucht wie rohes Hühnerfleisch, außer dass man die Knochen sieht. Sie zittert, ihre Muskeln sind von unzähligen Ticks befallen. Ihr ganzer Körper wird geschüttelt, sie ist jetzt auf Augenhöhe mit Skeetah und ignoriert scheinbar den erdfarbenen Welpen, der um ihre Schüssel herumtapst, um an die Milch zu gelangen. Er ist die Kopie des Vaters, derjenige, der wie Kilo aussieht; er ist der dickste, der besternährte, der Rüpel. Platzt fast vor Lebenslust und Verheißung. Wenn die Augen der Welpen irgendwann aufgehen, werden seine bestimmt die ersten sein.
Der Traktor ist im Leerlauf, und der Motor dreht, es hört sich an, als würde er gleich losfahren.
»Nicht jetzt!«, schreit Daddy, während er zerrt, aber sein Ächzen verschluckt das
Nicht
, und ich weiß nicht, was Randall hört,aber er lässt die Bremse los und legt einen Gang ein, und der Traktor rollt nach vorne. »Nicht!«, brüllt Daddy. Er zieht den Arm zurück, seine Hand ist im Draht gefangen, und er verdreht sie so doll, dass sein Arm lang und faserig aussieht.
Der rötliche Welpe kriecht weiter, umrundet Chinas Schüssel, schnüffelt an ihrer Zitze.
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