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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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Kopfbewegung zu Junior, die
Los komm
bedeutet; Junior hat einen Finger in die Ameisen gesteckt, und sie haben sich zu einem Wirrwarr auf seiner Hand zerstreut. Sie kurven herum, stechen ihn, übersäen seine Haut mit Bissen. Junior sitzt mit stolzer Miene da und sagt,
Seht nur, wie lange ich das aushalte
. Als Randall ihn am Arm packt und ich die Ameisen wegwische, ist Juniors Haut weiß-rot und geschwollen, und die Pusteln werden immer größer.
    Was ist bloß los mit dir, Junior?
, will Randall wissen.
    Kauf das Billigste, was du kriegen kannst
, hatte Randall gesagt, also rechne ich mit Pappkartonhälften voller Tomatensuppe in Dosen, als Skeetah und Big Henry den Kofferraum ausladen. Skeetah zieht einen großen Sack Hundefutter heraus, wirft ihn sich über die Schulter und trägt ihn zum Schuppen. Dann zieht er einen weiteren Fünfzig-Pfund-Sack Hundefutter heraus und setzt ihn neben dem ersten ab. Die beiden sehen aus wie pummelige Zwillinge. Aus dem Schuppen kommt Chinas schrilles Gebell. Sie hat Hunger.
    »Schon gut!«, brüllt Skeetah, und sie hält mitten im Bellen inne, verschluckt es. Er schiebt die dünne Blechtür zur Seite, und sie kommt ruhig herausspaziert, berührt ihn mit dem Kopf, steckt die Nase in sein Hosenbein, leckt ihm die Hand. Er hockt sich hin und streichelt sie.
    Randall, Junior und ich sitzen seit ungefähr einer Stunde auf dem Hof; unsere Aufgaben sind erledigt, und im Haus ist es zu dunkel und zu heiß. Es ist wie eine geballte Faust. Junior hatte vorher mit einer alten Verlängerungsschnur gespielt, die er als Seil benutzte. Er hatte sie immer wieder an Bäumen festgemacht und sie wie ein Springseil herumgewirbelt. Der Baum war sein Spielkamerad, aber es war niemand da, der in der Mitte stehen und springen konnte. Schließlich hatte Randall die Schnur abgemacht, und ich war hingegangen und hatte das andere Ende genommen. Während der Himmel sich verdunkelte und die Sonne nur noch ab und zu durch die Wolken drang, schlugen wir das Kabel für Junior, und er sprang im Sand Seil.
    Randall geht als Erster zum Auto. In einer Ecke des Kofferraums stehen zwei Kartons mit offenen Deckeln. In dem einen sind ungefähr fünfzehn Dosen Erbsen, mit grün beschrifteten Silberetiketten, und ein paar Dosen Schmalzfleisch. Der zweite Karton enthält ungefähr ein Dutzend Tüten Instant-Nudeln. Randall nimmt den Karton mit den Erbsen und dem Fleisch, ich den mit den Nudeln. Randall trägt den Karton mit einer Hand. Seine Muskeln treten hervor. Er zuckt die Achseln in Richtung Skeetah und hebt die andere Hand, als würde er einen Ball in die Luft werden, um einen zu hoch hängenden Korb zu treffen.
    »Wozu hast du so viele Erbsen gekauft?«
    »Das war alles, was sie hatten.«
    »Und nur drei Dosen Fleisch?«
    »Die Regale waren leer. Mehr gab’s nich.«
    »Ich hab doch gesagt, kauf nichts, was man kochen muss. Was sollen wir mit einem Karton Nudeln anfangen?«
    »Wir werden sie essen.« Skeetah blickt von China hoch. Er untersucht gerade ihre Brust, zieht den vergilbten Verband ab, um die verkrusteten Linien um die wässrigen Wunden herum zu betrachten. China leckt seinen Unterarm.
    »Und womit sollen wir die Nudeln kochen? Du weißt doch, dass schon bei Gewitter der Strom ausfällt; was glaubst du, was bei einem Hurrikan passiert?«
    »Wir haben doch den Grill im Wald. Wir können sie auf dem Feuer kochen.«
    »Das Holz wird
klitschnass
sein.«
    »Es wird sowieso keine große Sache. Vermutlich dreht er ab und zieht an uns vorbei.«
    »Nein, Skeet. Wir haben den ganzen Tag Radio gehört. Es ist ein Hurrikan der Kategorie drei, und er kommt direkt auf uns zu. Und du kaufst zwei Säcke Hundefutter! Wie lange werden wir wohl mit diesen Erbsen auskommen, was meinst du?«
    »Wir haben doch noch was im Haus!«
    Ich kann Erbsen nicht ausstehen. Mein Magen, der mir neuerdings Streiche spielt und mich dazu treibt, zu jeder Tages- und Nachtzeit zu essen, um das Baby zu füttern, brennt.
    »Wohl kaum genug für fünf Leute!«, sage ich, und meine Stimme ist so hart, wie ich sie noch nie gehört habe.
    Skeetah nimmt China den Verband ab, und ihre Brust hängt frei herunter, bereits wund und welk vom Nichtgebrauch; sie ist ein dunkles Mal auf ihrem Körper, der einmal so makellos weiß gewesen ist. Die Wunde lässt den Rest von ihr noch schöner erscheinen. Skeetah schaut China an, als würde er am liebsten in sie eintauchen und ertrinken.
    »Habt ihr schon mal Hundefutter probiert?«, fragt Skeetah.
    Randalls

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