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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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Küchenspüle, die voller Geschirr ist, läuft das Wasser rot und gelb aus ihnen heraus.
    Tankt den Wagen voll
.
    Junior sitzt mit baumelnden dünnen schwarzen Beinen in der Mitte. Randall fährt. Ich hänge meine Hand aus dem Beifahrerfenster, lasse den Wind mit ihr spielen, sie vom Wind festhalten. Beide Fenster sind offen, weil Daddy keine Klimaanlage hat, und meine Beine kleben an den Flickenteppichen, die Mama über den Sitz gelegt hat, als wir klein waren und die Polster im Sommer so heiß wurden, dass es sich anfühlte, als würden sie unsere Haut zum Schmelzen bringen.
Die sind zu heiß für die Kinder
, hat sie gesagt. Sie hatte die Teppiche ausgeklopft, bis sie sauber waren, sie dann gewaschen, über die Sitze gelegt und festgestopft. Ehe Randall sich auf den Fahrersitz setzte, sah ich, dass Daddys Seite ganz durchgesessen war. Der übrige Stoff fühlt sich noch fast so dick an wie als Mama ihn reingelegt hat. Ich weiß noch, wie es gejuckt hat, als ich zum ersten Mal vorne bei den beiden mitgefahren bin, aber ich habe mich nicht beklagt. Damals passten wir alle auf den Vordersitz, und es gab keine Anschnallpflicht. Jetzt fahren wir nach Norden über Land in Richtung Interstate, wo die nächste Tankstelle ist. Die Kiefern biegen sich pfeifend am Straßenrand, der Wind, der in Stößen kommt, bringt sie zum Tanzen. Das Stückchen Himmel vor uns über den Baumkronen ist bedeckt, grau, nur manchmal kommt plötzlich die Sonne raus, brennt sich hindurch wie Feuer durch Wachspapier. An der Tankstelle lässt Randall Junior gar nicht erst aussteigen, um in den Laden zu gehen und etwas zu finden, worum er betteln könnte; ich gehe rein und zahle bar, und Randall zapft. Die Klimaanlage ist so kalt gestellt und das Neonlicht so hell, dass ich kaum atmen kann; mir ist heiß, mein Körper ist so nass wie ein triefender Schwamm, meine Brüste und mein Bauch sind mit kochendem Wasser gefüllt, meine Glieder brennen. Randall macht den Tank voll, und auf dem Heimweg dreht er auf der Nebenstraße auf, gibt so richtig Gas. Wir rasen mit heulendem Motor über den Asphalt, vorbeian den Bäumen; wir überholen den Himmel und den Wind. Junior bleckt die Zähne und grinst.
    Kocht alles, was im Kühlschrank ist
.
    Im Kühlschrank sind sechs Eier. Ein paar Tassen kalter Reis. Drei Scheiben Fleischwurst. Ein leerer Pappkarton von der Tankstelle mit abgenagten Hühnerknochen. Eine Zwei-Liter-Tüte Milch. Ketchup und Mayonnaise. Der Herd ist ein Gasherd, und als Randall die Brenner anzündet, erglüht die Küche orangefarben, und an den Wänden steigen Schatten hoch. Der Tag versucht, die offene Tür zu erleuchten, scheitert aber. Junior sitzt in dem trüben Licht an der Tür, das Kinn auf die Knie gelegt, die Knie umschlungen. Er zeichnet Muster in den Sand auf dem Fußboden. Er ist sauer, weil Randall gesagt hat, er darf nicht fernsehen. Dass er immer noch in Schwierigkeiten steckt. Randall brät die Eier mit dem Bacon-Fett, das Daddy in der alten Blechkanne auf der Anrichte aufbewahrt; er schüttet auch den Reis und die kreolische Gewürzmischung dazu. Ich brate die Wurstscheiben, und China muss das wohl riechen, denn sie fängt an, laut und bettelnd zu bellen. Wir verteilen die Eier und den Reis auf vier Teller, schneiden die Wurst in halbe Scheiben und heben noch etwas für Skeetah auf. Junior und Randall trinken die Milch. Ich bringe Daddy seinen Teller, aber er schläft, deshalb stelle ich ihn auf den Nachttisch und lasse ihn wieder allein, dösend in der Höhle seines Zimmers. Obwohl es dunkel ist, schläft er mit seinem schlimmen Arm über den Augen.
    Parkt meinen Wagen auf der Lichtung an der Grube
.
    Die einzige echte Lichtung auf dem Pit ist an der Grube. Sie mussten damals die Bäume fällen, um Platz für die rangierenden Kipplaster zu schaffen, die die Erde aufrissen. Randall fährt Daddys Pick-up ums Haus herum und streift dabei die Bäume. DieSpiegel auf beiden Seiten bleiben nur knapp verschont. Die Hühner laufen unter entrüstetem Gegacker vor dem Wagen weg; sie werden immer wieder vom Wind erfasst und hochgehoben, sodass sie tollpatschig auf und ab flattern. Randall parkt neben der provisorischen Feuerstelle, auf der wir das Eichhörnchen gegrillt haben; an dem Metallrost kleben kleine verkohlte Holzklumpen, und rote Ameisen laufen darüber. Ein lebender Strich. Während wir die Wagenfenster hochdrehen und die Werkzeugkiste verschließen, kniet sich Junior neben den Grill. Als wir fertig sind, macht Randall eine

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