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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesmyn Ward
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Kipplasters, auf der Erde unter einem stinkenden alten Kühlschrank, in den Spiralfedern einer von Tieren zernagten Matratze. Ich suche und finde nichts.
    Die Eier vorne in Juniors T-Shirt sind warm; sie ziehen seinen Ausschnitt zu einem V herunter, und an der Stelle, wo sich seine Schlüsselbeine treffen, sieht es aus, als hätte er zwei Murmeln unter der Haut. Ich lege die Eier in den schwarzen, genarbten Kochtopf, in dem Mama immer Gumbo gekocht hat, und zähle sie,während sie über den Topfboden rollen und liegen bleiben. Randall hält die Seiten von Juniors T-Shirt fest, weil Junior sich unwillkürlich den rollenden Eiern entgegenbückt. Vierundzwanzig. Wir haben vierundzwanzig Eier zum Kochen, Aufheben und Essen. Das ist immerhin etwas.
    Als Manny auftaucht, ist keine Sonne da, die ihre Hand ausstrecken und ihn wie einen Hund kraulen könnte, um ihn zum Leuchten und zum Strahlen zu bringen. Er brennt nicht, aber dennoch glüht er, wie ein verlöschendes Feuer, bei dem die Hitze klar und deutlich in der Asche weiterlebt. Ich sehe ihn als Erste, weil ich auf den Stufen sitze. Junior und Randall stehen mit dem Rücken zu ihm, während sie die Eier in den Topf legen. Als Manny sieht, wie ich ihn anschaue, bringt ihn das Geheimnis mitten im Schritt aus dem Gleichgewicht wie ein loser Schnürsenkel, und seine Augen werden groß, wirken weißer als zuvor in seinem Gesicht. Aber er geht weiter, wird größer und wirklicher in dem trüben Licht, dem Wind und dem schaukelnden Grün des Tages, bis seine Schritte lauter sind als die Insekten, die eins nach dem anderen still werden, so als wäre er der nahende Sturm.
Wo gehen sie hin?,
denke ich, und er schaut auf Randalls Rücken statt in meine Augen, und ich hasse ihn und frage mich, ob ich je aufhören werde ihn zu lieben.
    »Cous«, sagt er.
    Randall lässt beinahe das vierundzwanzigste Ei fallen, das er gerade in der Hand hat.
    »Scheiße.« Randall dreht sich um.
    »Sorry.« Mannys Schultern. Seine Schultern und seinen Nacken habe ich am meisten geliebt. Ich möchte nur einmal meinen offenen Mund auf seinen Nacken legen. Er ist das Hellste auf der ganzen Lichtung. Ich möchte ihn noch einmal über mir leuchten sehen, nur einmal. Aber er schaut Randall an und grinst halb. Erst dann kann ich die Narbe in seinem Gesicht erkennen, dieHaut, die falsch wächst. Er ist nicht meinetwegen gekommen. »Könn’ wir reden?«
    Randall bückt sich, legt das Ei in den Topf, drückt mir den Topf in die Hände und spricht mit Manny, während er mich anschaut. »Jo«, sagt er. »Kannst du die aufsetzen?« Sie gehen zusammen nach draußen und bleiben am Fuß der Hintertreppe stehen.
    Ich stehe da mit dem Topf. Die Eier kullern gegeneinander. Sie klingen wie Steine auf dem Grund eines trockenen Bachbetts, die von einem Fuß abrollen.
    »Junior, geh spielen«, ruft Randall durch die Tür. Junior stürmt davon, von seinen Aufgaben erlöst. Er ist nur noch ein kahler Kopf und verwackelte Arme und Beine. Ich lasse über der Spüle Wasser in den Topf fließen, bis alle Eier bedeckt sind.
    »Skeetah nich da?«
    »Glaub, der is im Wald mit China.«
    »Is ne echte Bestie.«
    »Jepp.«
    Ich streue Salz ins Wasser, aber im Streuer ist mehr Reis als Salz.
    »Hat der Trainer dich wegen dem Spiel angerufen?«
    »Hat gesagt, sie schicken Bodean ins Camp.«
    »Wusste ich nicht.«
    Ich zünde mit einem Streichholz den Ofen an und stelle die Flamme hoch. Ich stelle mich ein Stück von der Tür entfernt ins Dunkel der Küche, damit sie mich nicht sehen können, und spähe durch das Fliegengitter.
    »Tut mir leid«, sagt Manny.
    »Tja.« Randall seufzt.
    »Ich weiß gar nicht, was los war.«
    »Mein bester Freund hat sich mit meinem Bruder geprügelt, das war los.«
    »Ich hatte ganz andern Mist im Kopf. Ging gar nich gegen Skeet.«
    »Er glaubt was anderes. Er denkt, du hast ihn absichtlich seinen Hund vergiften lassen.«
    »So’n Scheiß würd ich nie machen. Du kennst mich doch.«
    Randall hat nichts in den Händen. Manny wedelt sich Luft zu, als würde er Mücken verscheuchen.
    »Er glaubt auch, dass du hinter meiner Schwester her bist.«
    »Randall, hör auf, Mann.«
    »Was willst du?«
    »Wir sind wie Familie.«
    Manny schiebt die Hände in die Hosentaschen und krümmt sich, als wolle er sich auf einen Schlag vorbereiten, als schäme er sich für das, was er gesagt hat.
    »Rico’s deine Familie. Ich bin kein Blutsverwandter.«
    »Aber so gut wie.«
    »Das ist das Problem.« Randall schüttelt den

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