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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Kasserolle vom Rauchfang, dann einen Mörser und begann mit viel mehr Lärm, als nötig gewesen wäre, zu klappern und zu stoßen. Sie schien sich in diesem Lärmen zu gefallen. Als sie nun aber durch die Küchentür wahrnahm, daß Kemnitz schläfrig hinter einem Fensterpfeiler hockte und auf die Dorfstraße sah, wo doch nichts zu sehen war, rüttelte und schüttelte sie ihn, zwang ihm ohne weiteres den Mörser in die Hand und rief ihm ärgerlich und auf plattdeutsch zu: »Stött en beten.«
    »Wat denn, Lene?«
    »Rük et; sunnst brukst du't nich to weeten.« Und hiermit war sie schon wieder bis an die Küchenschwelle. Kemnitz aber, in den verschiedenen Pausen, die er sich gönnte, konnte deutlich hören, daß sie sich draußen an dem Tellerschapp zu schaffen machte.
    So war eine gute Zeit vergangen, als das wiederbeginnende Orgelspiel anzeigte, daß die Zeremonie drüben zu Ende sei. Die Kirchentüren wurden geöffnet, und unter Vorantritt der Musik setzte sich der Hochzeitszug wieder in Bewegung. Mit unter den letzten, die die Kirche verließen, waren Renate und Tante Schorlemmer, die neben dem Orgelchor einen guten Platz gefunden hatten. Sie besprachen Pastor Lämmerhirts Rede, die der Schorlemmer nur wenig gefallen hatte. Renate dachte milder darüber. Als sie den Krug erreichten, fuhr auch Doktor Leist wieder vor.
    Dieser war dem Zuge begegnet und in bester Laune. »Das bedeutet Glück!« rief er den beiden Damen zu und trat mit ihnen zugleich in den Flur. Das erste, was ihnen hier begegnete, war die Krügersfrau in Person. Sie kam die Treppe herunter und hielt ein Brett in Händen, auf dem Teller und Löffel lagen.
    »Wie geht es?« fragte Renate.
    »Gut, Fräuleinchen.«
    »Ist er wach?«
    »Ja,«
    »Nun erzählt, liebe Frau«, sagte Doktor Leist. »Was hat es gegeben?«
    »Nun, das gnädige Fräulein waren noch nicht lange fort, und der Prediger drüben konnte noch kaum angefangen haben, da schlug er die Augen auf. Ich meine, der junge Herr.«
    »Und was sagte er?«
    »Er fragte nach dem gnädigen Fräulein, und als ich ihm alles erzählt hatte, auch von der Line und ihrer Hochzeit, da sah er mich groß an und sagte: ›Ich habe Hunger.‹ Und da dacht ich ja nu gleich an alles, was uns Doktor Leist gesagt hatte, und fragte bloß, was er haben wollte, und nannte ihm wohl zehnerlei. Es war aber immer nicht das Rechte, und er schüttelte den Kopf ein Mal über das andere und wurde verdrießlich. Zuletzt aber sagte er: ›Jetzt hab ich's.‹ Und was war es? Können Sie sich's denken, Fräuleinchen, eine Suppe war es. Und noch dazu eine Biersuppe. Und da fragt ich ihn bloß: ›Wie denn, junger Herr, mit Karwe oder mit Ingwer?‹ Und da lachte er still vor sich und sagte: ›Mit Ingwer.‹«
    »Mit Ingwer«, wiederholte der alte Leist. »Da haben wir die Genesung. Es war ihm nicht gleichgiltig, so oder so. Nein, mit Ingwer. Ja, meine Damen, so spricht die Natur. Ich gratuliere Ihnen und uns allen, und nun lassen Sie uns den Kranken sehen.«
    Sie stiegen nun wieder treppauf und fanden Lewin aufrecht im Bette sitzend. Er erkannte den Doktor; als er aber die Linke heben wollte, um sie ihm zu reichen, sank sie matt auf das Bett zurück.
    »Wie geht es, Lewin?«
    »Ich denke, gut.«
    »Ich denke, gut! Das ist mir nicht gut genug. Wie schmeckte die Suppe?«
    »Gut.«
    »Das ist recht. So muß es heißen. Nichts von Kopfweh?«
    »Nein.«
    Der Doktor nahm jetzt selber die Hand und zählte den Puls. Als er damit geendet hatte, sah er, daß der Kranke vor Erschöpfung wieder eingeschlafen war. »Stören wir ihn nicht.«
    So verließen sie das Zimmer und nahmen erst draußen auf der Treppe das Gespräch wieder auf. »Es geht alles, wie es soll. Krisis überstanden; alle Zeichen der Genesung da. Kein Fieber; nur matt, matt. Aber jede Stunde Schlaf bringt ihn um eine Woche weiter. Morgen wird er aufstehen wollen, und übermorgen kann er reisen.«
    »Und wir?«
    »Wir reisen morgen schon und bestellen ihm Quartier«, antwortete der Doktor.
    »Und schicken ihm Krist und den Planschlitten.«
    »Getroffen. Den wollt ich eben empfehlen. Und einen tüchtigen Häckselsack in den Rücken. Denn im Kreuz wird es wohl noch fehlen.«
    Damit hatten sie den Unterflur erreicht und standen vor der Gaststube, in der dem Doktor noch ein Warmbier vorgesetzt werden sollte. Aber er dankte, »denn er müsse noch bis Reitwein«. Und als die Krügersfrau nichtsdestoweniger fortfuhr, in ihn zu dringen, schnitt er endlich jede weitere Verhandlung

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