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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Krist, der hier allerlei Freundschaft hatte, sprach ein Wort oder hielt auch wohl an, um seine Pfeife wieder in Brand zu bringen. Lewin aber genoß der wundervollen Luft und fühlte sich mit jedem Atemzuge mehr und mehr genesen; seine Nerven belebten sich wieder, und der Druck schwand, der bis dahin auf ihm gelegen hatte. Immer freundlicher wurden die Bilder, er gedachte Seidentopfs, und es war ihm, als zöge er dem Frieden entgegen.
    So vergingen die Stunden; schellenläutend trabten die Pferde dahin, und schon neigte sich die Sonne zum Untergang.
    Vier Uhr war vorüber, als sie vor dem Dolgeliner Kruge hielten. Gerade gegenüber war die Pfarre. Lewin stieg ab, um drinnen in der Krugstube einen Imbiß zu nehmen; Krist aber, nachdem er dem einen Braunen eine wollene Decke, dem andern einen alten Militärmantel aufgelegt hatte, ging über den Fahrdamm auf die andere Seite des Dorfes hinüber, wo gerade Pastor Zabels kleiner Schlitten dicht vor dem Staketenzaune hielt. Der Pfarrknecht nahm die Leinen abwechselnd in die linke und rechte Hand und stampfte ungeduldig den Schnee.
    »'n Abend, Karges«, sagte Krist. »Wo wiste henn?«
    »Na'h Gus'.«
    »Woto denn? Se is joa all unner de Ihrd. Siet vörvörgestern.«
    »Joa. Awers de Schoolkinner hebben hüt ihrst ehren Dag. De süllen um Klocker söss spiest wahren: Hirs und Swiensbroaten. Un jeed een noch en Kringel för to Huus.«
    »Richtig, richtig, de Schoolkinner. Awers wat hätt denn dien Pastor dabi to dohn?«
    »Joa, wat hätt hi dabi to dohn? Ick weet et nich. He möt man ümmer mit dabi sinn.«
    In diesem Augenblicke trat Lewin wieder aus dem Krug auf die Straße. Krist, als er seinen jungen Herrn sah, brach das Gespräch rasch ab und kehrte zu den Pferden zurück. Hier nahm er den alten Kavalleriemantel vom Rücken des einen Braunen und hielt ihn ausgebreitet vor Lewin hin, zum Zeichen, daß dieser, ehe er wieder einsteige, ihn anziehen müsse. Lewin wollte aber nicht.
    »Laß, Krist«, sagte er, »es ist nicht kalt.«
    »Doch, junge Herr. De Sünn is all unner. Un ick süll acht upp Se hebben, dat hebben se mi beed seggt, ihrst de een, un denn de anner. Un dat helpt nu nich.«
    »Laß nur. Ich werde schon sagen, daß ich nicht gewollt habe.«
    »Ne, junge Herr, dat geiht nu nich anners. Mit uns Frölen, da mücht et ja wull noch sinn, awers bi de Oll-Schorlemmern, doa hedd ick verspeelt.«
    »Na, denn gib her«, sagte Lewin und wickelte sich in den bereitgehaltenen Mantel ein.
    Es war ihm bald lieb, dem Andringen Krists nicht eigensinnig widerstanden zu haben; es wurde frischer von Minute zu Minute, und die Wärme, die der dicke Mantel gab, tat ihm wohl. Die Sterne zogen herauf; ein Gefühl süßen, unnennbaren Wehs überkam ihn, und ein Tränenstrom brach aus seinen Augen, nicht reichlicher, als ihn die gute Frau Kemnitz vor wenig Stunden erst vergossen hatte, aber viel, viel heißer. Und doch bedeuteten ihm diese Tränen Glück und Genesung. Er gedachte Mariens, und wie sie beide so gleich empfänden. »Mir ist dann, als wüchse ich und könnte fliegen«, wiederholte er aus ihrem Briefe und sah dabei zu den Sternen hinauf, die immer heller funkelten.
    So ging die Fahrt. Die Braunen, die seit gestern abend zwölf Meilen gemacht hatten, fielen allmählich in Schritt, und erst von Manschnow aus, wo sie den Stall zu wittern begannen, setzten sie sich wieder in Trab. Es schlug sieben vom Hohen-Vietzer Turm, als sie der vordersten Parkspitze ansichtig wurden, und ehe der letzte Schlag ausgeklungen, hielt der Schlitten vor der Rampe des Wohnhauses. Das erste, was Lewin sah, war der in Trümmern daliegende Saalanbau, und sowenig ihn damals die Nachricht von dem Feuer erschüttert hatte, so groß war jetzt der Eindruck, den die Brandstätte auf ihn machte. Und dieser Eindruck wurde noch dadurch gesteigert, daß im Wohnhause selbst alles in Schweigen und Dunkel lag.
    Niemand ließ sich sehen. Krist knipste mit der Peitsche, und die Braunen schüttelten ungeduldig ihr Schellengeläut. Endlich kam Licht, und Jeetzes hagere Gestalt zeigte sich hinter der Glastüre. Er stellte den Leuchter etwas seitwärts, um die Flamme gegen den Zugwind zu schützen, und trat dann ins Freie, um seinem jungen Herrn bei dem Aussteigen behilflich zu sein.
    »Guten Abend, Jeetze. Alles ausgeflogen?«
    »Ja, junger Herr. Wir hatten Sie nicht so früh erwartet.«
    »Und wo ist Papa?«
    »Immer noch in Guse.«
    »Und Renate?«
    »Bei Müller Miekley. Uhlenhorst ist da, und da sind ja nun die

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